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Die Süße Des Lebens

Die Süße Des Lebens

Titel: Die Süße Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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erfolgt. Das funktionierte, auch wenn Kovacs Eyltz für einen Hochstapler hielt und auf der anderen Seite Eyltz keine Gelegenheit ausließ, Kovacs als ›hochgradig misanthropisches Ermittlungsorgan‹ zu bezeichnen.
    Sie hatten die Sache schließlich in einer Sitzgruppe der Eingangshalle des Bauriedl abgewickelt, Eyltz hinter einem Armagnac, Kovacs ohne irgendwas. Mauritz würde einen Uniformierten als Hilfe bekommen und über Nacht würde einer zur Tatortsicherung abgestellt werden, für alle Fälle. Mit der Information der Medien würde man sich bis Montag Zeit lassen und überhaupt sei knapp vor Jahreswechsel Ruhe das Gebot der Stunde. Er, Kovacs, könne natürlich ermitteln, wie auch immer er es für notwendig halte, und die Abstellung von Lipp und Sabine Wieck sei für die Dauer der Untersuchungen kein Problem. Eyltz hatte unter einem dunkelblauen Blazer mit Goldknöpfen ein weiß-gelb gestreiftes Hemd getragen, außerdem handgenähte schwarze Schnürstiefeletten und im Gesicht dieses konstruktive Grinsen, das in Kovacs jedes Mal nach kürzester Zeit die Vorstellung erweckte, er müsse es mit einem Hochdruckreiniger wegspritzen. Ich werde immer empfindlicher, hatte er gedacht, ich halte immer weniger aus; Eyltz versucht konstruktiv zu sein und macht mich trotzdem rasend.
    Der Journaldienst der Staatsanwaltschaft hatte gefragt: »Sind Sie sicher?«, und Kovacs war nahe daran gewesen, ein zweites Mal an diesem Abend zu sagen, dies sei die blödeste Bemerkung, die er in letzter Zeit gehört habe. Er verbiss es sich und bellte lediglich zurück, ja, er sei sicher, und im Übrigen folge alles per Fax, gerichtsmedizinischer Befund, Ermittlungsberichte et cetera.
    Spät am Abend hatte er noch Eleonore Bitterle angerufen. Sie hatte verschlafen geklungen und, als er sich entschuldigte, behauptet, sie sei in ihrer Dampfkabine eingedöst. »Denk einfach über die Sache nach«, hatte er gesagt, »du hast den ganzen Sonntag Zeit.« Dass er sie damit aus dem Urlaub zurückbeorderte, war ihm erst im Nachhinein aufgefallen. Sie war einfach immer da, Urlaub oder nicht.
    Eleonore Bitterle war eine hagere, grauhaarige Frau, zweiundvierzig, wenn man dem Personalakt glaubte, und seit dem Tod ihres Mannes alleinstehend. Intern nannte man sie ›Mrs. Brain‹ und tatsächlich schien es manchmal, als wisse sie alles. Es hieß, sie habe mehrere Studien absolviert, Geschichte, Philosophie und noch was, und allesamt knapp vor Schluss abgebrochen, was psychologisch mit ihrem Vater in Zusammenhang stehe, der Universitätsprofessor für Verwaltungsrecht in Salzburg und ein bekanntermaßen autoritäres Arschloch gewesen sei. Sie war, vermutlich über seine Vermittlung, beim Bundeskriminalamt gelandet und hatte erst in Wien gearbeitet, anfangs in der Kriminalstatistik, danach in der Opferhilfe. Dann hatte sie ihren Mann kennen gelernt, einen oberösterreichischen Tiefbautechniker, und war mit ihm nach Furth gezogen. Er war die Liebe ihres Lebens gewesen, das hatte jeder sehen können. Die beiden hatten sich in ein ökologisches Reihenhausprojekt im Nordosten der Stadt eingekauft und waren gerade dabei gewesen, entlang des Gartenzaunes eine Hainbuchenhecke zu pflanzen, als bei ihm eine Schwellung an der rechten Unterschenkelvorderseite aufgetreten war. Zuerst hatte man an eine Verletzung gedacht, an ein Hämatom zwischen den Muskeln, dann an eine Knochenmarksentzündung, und als die Diagnose Osteosarkom schließlich gestellt worden war, war sein Körper bereits voller Metastasen gewesen. Sie hatte die Hecke fertiggepflanzt und das Haus infolge der Witwenpension, die sie zusätzlich zu ihrem Einkommen erhielt, behalten können. Trotzdem war sie mit einem Mal ein anderer Mensch gewesen. Ihr zögerlich intellektueller Zugang zu den Dingen hatte sich noch verschärft und manchmal schien es, sie bestehe in den harmlosesten Zusammenhängen nur noch aus Angst und Unsicherheit. Kovacs versuchte sie behutsam zu behandeln, da er wusste, dass eine einzige brillante Assoziation manchmal wichtiger war als vierundzwanzig Stunden Nervenstärke. Wenn er, wie in diesem Fall, zu ihr sagen konnte: »Denk einfach nach«, war es überhaupt das Beste.
    Den Sonntag hatte Kovacs zum Großteil bei Marlene verbracht. Sie hatte zu Mittag Zitronenhuhn mit Rosmarinkartoffeln gekocht, als Dessert ein Haselnusssoufflé mit Orangenkrokant. Trotz eines doppelten Pernod hintennach waren sie beide so satt gewesen, dass der Koitus erst ganz am Schluss hatte stattfinden können,

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