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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Blickkontakt mit ihnen aufzunehmen. Als es ihm gelingt, verkündet er in übereifrigem Tonfall: »Wir verdanken Ihnen unsere Sicherheit. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich bin, zu wissen –«
    »Verschwinden Sie!«, schreit Nina. Der Pförtner hebt nur kurz die Augenbrauen. Dann zieht er gemächlich weiter, offensichtlich erfreut darüber, ein paar Worte einwerfen zu können.
    Schließlich sind die Männer fertig. Auf ihren Gesichtern zeigt sich keine Spur von Müdigkeit, obwohl das Zimmer komplett auf den Kopf gestellt ist. Sie füllen ihre Aktentaschen mit Gerschs Büchern und Unterlagen und nehmen auch noch eine Flasche Wodka mit. Der kleinere Mann fragt nach Gerschs Ausweis, den er daraufhin in seiner eigenen Brusttasche verschwinden lässt. Mit ruhiger, nicht unfreundlicher Stimme wendet sich der Mann mit der Waffe an Gersch: »Wenn Sie mir bitte für einen Augenblick zur MUR folgen würden.«
    Gersch nickt kurz, ohne mit der Wimper zu zucken, während Zoja aufspringt: »Wenn er wirklich gehen muss, kann ich dann mitkommen?«
    »Oh, das ist nicht nötig«, antwortet der Mann mit der Pistole ungezwungen und fast freundlich, als hätte sie angeboten, ihm einen Gefallen zu tun.
    »Also gut, dann, hier, lassen Sie mich schnell ein paar Sachen für ihn zusammenpacken, ach herrje …« Zoja ist zum Speiseschrank hinübergegangen und nimmt etwas Zucker heraus, um den sie ein Leinentuch wickelt. »Hier, nimm die Wurst mit.« Sie drückt Gersch eine harte Salami in die Hand, als handelte es sich dabei um einen Goldbarren. Aus ihrem Gesicht ist alle Farbe gewichen. Sie muss wirklich gedacht haben, dass so etwas nicht passieren kann, denkt Nina erstaunt.
    »Auf Wiedersehen«, sagt Gersch tonlos, beinahe höhnisch, als sie ihn zur Tür hinausführen.
    »Dann also bis bald!« Zoja wischt sich behutsam die Augen. Viktor nickt Gersch zu. Nina findet keine Worte und sieht nur zu, wie er in die Dunkelheit hinaustritt.
    Als die Männer gegangen sind, beginnt Zoja erst richtig, sich Sorgen zu machen. »Sie haben sein Tagebuch gefunden, habt ihr das gesehen? Ach, ich hoffe nur, er hat nichts Dummes hineingeschrieben! Du liebe Güte, du liebe Güte. Ihr kennt Gersch ja. Er nimmt doch nie ein Blatt vor den Mund!«
    »Er hat ein Tagebuch geführt?« Nina fragt sich, ob Vera darin auftaucht.
    »Oh, keins, wie du und ich es schreiben würden. Eher eine Art Notizbuch, in das er seine Gedanken über Kunst und Musik und all dieses Zeug eingetragen hat – ach, ich hoffe nur, er hat nichts Unbesonnenes hineingeschrieben. Ihr wisst doch, wie unklug er sich manchmal verhält!«
    Nina starrt sie an. Denn was konnte Gersch bloß Schlimmes geschrieben haben, dass er dafür gleich verhaftet wurde? Und woher sollte sie wissen, dass nicht Zoja selbst – die Reden von Stalin sammelte und deren Patriotismus schon an Verrücktheit grenzte – diejenige ist, die diesen Männern von dem Tagebuch erzählt hat? Sie wirkt jedoch ehrlich bestürzt. Obwohl das auch wieder kein Wunder ist: Wie unglaublich hart muss es sein, zwei sich widersprechende Dinge zu lieben und an beide gleichzeitig glauben zu wollen. Ninas Kopfschmerzen verschlimmern sich schlagartig bei dem Gedanken, es könnte etwas geben, das sie über Gersch nicht wissen.
    »Na ja, aber mir ist ja ganz klar, dass am Ende alles gut ausgehen wird«, sagt Zoja schnippisch. Sie scheint tatsächlich daran zu glauben, obgleich ihr ein paar Tränen die Wangen hinunterrollen, als sie mit ihren geschwungenen Wimpern blinzelt.
    »Sie sind ihm wohlgesinnt, da bin ich mir sicher. Sie haben sich doch immerhin so höflich verhalten – obwohl sie hier ja wirklich alles durcheinandergebracht haben! Ach, ich hoffe nur, dass es ihm jetzt gerade gutgeht.«
    »Zoja, möchtest du dich hinlegen?«, fragt Viktor so langsam undtraurig, dass Nina nicht unterscheiden kann, ob er Mitleid mit Zoja hat oder einfach nur müde ist. »Wenn du möchtest, kann ich hierbleiben und aufpassen. Wenn du aber allein sein willst, dann gehe ich.«
    »Ich kann doch jetzt ganz unmöglich schlafen«, antwortet sie und bückt sich, um einige der auf dem Fußboden verstreuten Papiere und Bücher aufzuheben. »Du liebe Güte, denkst du, sie werden zurückkommen?«
    »Höchstwahrscheinlich.« Viktor seufzt. »Sie werden sichergehen wollen, dass ihnen auch nichts entgangen ist.«
    »Aber was könnte denn noch hier sein? Wir sollten vielleicht nachsehen. Alles in diesem Raum überprüfen. Herrje, wer weiß …«
    »Ich kann dir

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