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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Stroh. Dem Fell der Pferde entstieg feuchte Wärme. Ihr Geruch und ihr Schnauben waren tröstlich. Genau wie das Licht der Laterne, die von der Decke herabbaumelte.
    Lunettas Wächter hatte es sich unter dem Vordach des Stalles mit einem Weinkrug bequem gemacht. Verstohlen beobachtete das Mädchen den Mann, der bald schnarchend in sich zusammensackte.
    An eine Flucht war nicht zu denken. Der Cebreiro war nach dem französischen Roncesvalles-Pass der am meisten gefürchtete Gipfel auf dem Jakobsweg. Beim steilen Aufstieg wurden Wanderer oft von so dichtem Nebel überrascht, dass sie in die Irre gingen und abstürzten. Bei Nacht war der von Gesteinsbrocken und Geröll übersäte Weg nicht zu bewältigen. In Galicien hieß es, der dichte Wald des Cebreiro sei von brujas , grausamen Hexen, bewohnt, die die Pilger kurz vor ihrem Ziel Santiago um den Verstand bringen wollten.
    Lunetta fror und drängte sich enger an die Pferde heran. Ein Rappe senkte seinen großen Kopf. Das Mädchen streichelte sein weiches Maul. Lunetta schloss die Augen, Meer rauschte in ihren Ohren, sie sah eine Fähre, in der hochaufgerichtet ein Mann stand. Die Fähre verschwand im Nebel. Sie wusste, dass der Fährmann für den Tod stehen konnte. Nein, sie wollte dieses Bild nicht verfolgen. Sie zwang sich, die Augen wieder zu öffnen. Gabriel hatte ihr auf dem Schiff zugeraunt, dass sie sich wiedersehen würden. Daran wollte sie glauben, auch wenn sie wusste, dass es unmöglich war. Sie tastete nach den Karten, die sie sicher in einer Rocktasche trug, und zog sie hervor. Sie würde sie für Sidonia legen.
    Sidonia war ihre letzte Hoffnung. Sidonias Weg würde auch ihr eigenes Schicksal, nach dem sie die Karten nie befragte, bestimmen. Rasch mischte sie den Stapel, fächerte ihre 56 Karten im Halbkreis vor sich auf dem Boden aus. Sie nahm einen tiefen Atemzug, wählte dann in rascher Folge vier Karten und legte sie in der Form eines Kreuzes verdeckt vor sich hin. Es handelte sich um ein einfaches Legesystem, bei dem die erste Karte den linken, die zweite den rechten Balken des Kreuzes bildet. Karte drei war der Kopf, Karte vier der Fuß. Es war eine Legart, die Auskunft über den Verlauf einer Angelegenheit geben konnte, über Aussichten und Gefahren. Mit angehaltenem Atem drehte sie die erste Karte um. Sie stand für die Ausgangssituation. Vor grauem Himmel, aus dem Regen fiel, durchbohrten drei Schwerter ein Herz. Lunetta hasste diese Karte, obwohl sie wusste, dass auch diese ihre Licht-und ihre Schattenseite hatte.
    Ihre Mutter hatte sie vor ihrem Abschied von ihr und Padre Fadrique gezogen. Ihr Entschluss nach Santiago aufzubrechen, um Adrian von Löwenstein zu heiraten, hatte das Bild nicht erschüttern können. Dabei verhießen die drei Schwerter im Herzen tiefsten Kummer. Mariflores hatte gelächelt. »Lunetta, sieh genau hin, das Herz blutet nicht mehr. Es geht um alte Wunden, die es zu heilen gilt. Jeder Mensch trägt solche Schwerter im Herzen. Diese Karte fordert uns auf, die Schwerter herauszuziehen, anstatt sie überall mit hinzutragen. Adrian wird mich nach all diesen Jahren als rechtlose Konkubine heiraten! Er bekennt sich zu dir und zu mir, obwohl sein Vater eine andere, weit lohnendere Verbindung mit einer Kölner Kaufmannstochter wünscht. Es wäre eine Sünde, wenn ich mich gegen mein Herz und seine Liebe entschiede.«
    Lunetta zwang sich ruhig zu atmen. Hier ging es nicht um Mariflores. Sidonia hatte eine schmerzhafte Erfahrung gemacht! Lunetta ahnte, dass diese Erfahrung Zimenes betraf, und der Kummer, den Sidonia über sein Verschwinden empfinden musste, schnitt ihr ins eigene Herz. Hastig wendete sie Karte zwei. Sie gab an, was in der gegenwärtigen Situation unbedingt zu vermeiden war. Lunetta nickte langsam, als sie das Bild der sieben Kelche sah. Ein schwarz gekleideter Mensch stand mit dem Rücken zum Betrachter. Vor ihm schwebten sieben goldene Gefäße am Himmel, ein jeder war mit verlockenden Symbolen gefüllt. Mit einem Lorbeerkranz für Sieg, Perlen für den Frieden der Seele oder einem Drachenkopf als Zeichen der Überlegenheit. In den meisten Fällen warnten die sieben Kelche vor Träumereien, vor hohen Erwartungen und Selbstbetrug. Sie hoffte, dass Sidonia klug genug war, sich keinen Illusionen mehr hinzugeben, und dass sie aus ihrem Schmerz lernte, wahre von falschen Möglichkeiten zu unterscheiden. Darin lag ihre einige Chance auf Rettung vor Aleander. Doch was rieten ihr die Karten nun zu tun?
    Lunetta drehte

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