Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
in dem dunkle Schlegel von der Traufe hingen. Jona erklärte ihr, dass die Schweine im Tal nur mit Eicheln und Kastanien aus den Bergen gefüttert würden.
»Wir reiben die Schinken später mit Kräutern und Gewürzen ein, ihr Fleisch ist dunkel und zart und von köstlichem Geschmack.«
Er zeigte ihr die großen Schweinepferche und erklärte, dass sie in jedem Jahr verlegt würden, sodass die Tiere mit ihren Hufen und Schnauzen die Erde aufwühlen und mit ihrem Kot fruchtbar machen konnten. »Die Erde wird davon so fett und schwer, dass alle Samen wunderbar darin aufgehen.«
Durch goldglänzende Felder und Obstgärten, in denen Äpfel und pralle Kirschen reiften, gelangten sie zu einer Holzwerkstatt, wo ein Meister namens Elia Möbel und Holzwerkzeuge anfertigte sowie Bauholz zurechtschnitt. Sidonia staunte über die Sauberkeit der Werkstatt, den Duft frischer Sägespäne, die Freude der Handwerker. Wie anders war hier alles als im dunklen, engen Köln.
»Für wen stellt ihr diese Dinge her?«, fragte Sidonia und strich bewundernd über die gedrechselte Lehne eines Stuhles.
»Hauptsächlich für uns. Ein paar Mal im Jahr nehmen die Männer des Dorfes außerdem den schwierigen Weg nach Carrion de los Condes auf sich, um Möbel, Schinken und Teile der Ernte zu verkaufen.«
Bei der Erwähnung Carrions horchte Sidonia auf. Das erste Ziel ihrer Reise konnte also nicht fern sein, aber noch schien es ihr ratsamer, zunächst im Tal nach Hinweisen auf Fadrique zu forschen, als weiterzuziehen.
»Kommen keine Händler oder Käufer zu euch? Eure Ernte scheint so reich, eure Werkstücke sind prachtvoll gearbeitet – gut genug für jeden Stadtbürger.«
Jona schüttelte den Kopf, seine Augen verschatteten sich. »Wir bleiben gerne für uns. Die Ältesten wollen es so.«
Schweigend erreichten sie den Bach, und Sidonias vages Gefühl, dass über diesem Paradies ein dunkler Schatten lag, verstärkte sich. Jona zeigte ihr einen Platz unter einer flüsternden Weide, wo sie rasten konnten. Er entknotete ein Tuch, in dem er Rosinen, Brot und Schinken bei sich trug, dazu tranken sie klares Wasser, das sie mit den Händen aus dem Bach schöpften. Dabei schreckten sie glänzende Forellen auf, die sich in das Gewirr der Wurzeln am unterspülten Ufer flüchteten.
»Euer Tal ist beinahe so, wie ein Kind sich das Paradies denken könnte«, sagte Sidonia nachdenklich. »Selbst der Gekreuzigte in eurer Kirche sieht zuversichtlicher aus als all seine Abbilder, die ich sonst sah. Euer Glaube muss sehr stark sein.«
Jona lehnte sich gegen den Stamm der Weide und schaute auf den blinkenden Bach. »Ich bin nicht für das Paradies gemacht«, sagte er. Seine Stimme klang bitter. Als Sidonia schwieg, richtete er sich auf und fuhr erregt fort.
»Dieses ewige Gleichmaß der Tage, immer dieselbe Arbeit zur selben Stunde. Ich weiß schon jetzt, was ich im nächsten Jahr um diese Zeit zu tun habe und all die Jahre, die folgen werden. Manchmal meine ich, dass mein Leben ein nutzloses Puppenspiel ist! Hat der Herr mich darum erschaffen, dass ich mein Leben hier verschlafe? Ich bin siebzehn Jahre und habe nichts von der Welt gesehen außer diesem Tal. Nie war ich in einer großen Stadt. Es ist ein elendes Leben! Im Winter und bei der Schneeschmelze sind wir monatelang nur unter uns. Es ist öde, eine Hölle.«
Sidonia erschrak über seine Heftigkeit. Sie selbst hatte nach dem Besuch der Kirche am Mittag für einen Moment darüber nachgedacht, wie es sein würde, hier zu bleiben und in diesem friedlichen Tal still der Arbeit nachzugehen. Nahe der Jesusfigur, die so unergründlich wie tröstlich an Zimenes, den Spötter, erinnerte.
Jonas Blick lag auf ihr. Wieder musste sie an Lambert und seine ungelenkte Leidenschaft denken, die ihm so viel Unglück eingebracht hatte. So wie mir meine Abenteuerlust, schalt sie sich insgeheim. Zu große Sehnsüchte machten Menschen zu Narren oder unglücklich.
Behutsam legte sie eine Hand auf Jonas Arm. »Du bist so jung, Jona. Glaube mir, die Welt ist nicht nur voller Herrlichkeiten und Abenteuer. Für all ihre Verlockungen zahlst du einen hohen Preis, ich weiß es.«
Jona griff nach ihrer Hand, umschloss sie zaghaft. »Du kannst nicht viel älter sein als ich. Erzähle mir von dir, Sidonia.« Flehen lag in seinem Blick und wieder diese Sehnsucht. Sidonia entwand ihre Hand der seinen.
»Ich bin verheiratet«, sagte sie knapp.
Jona betrachtete sie traurig. »Und, wo ist dein Mann?«
»Ich weiß es nicht«,
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