Die Terranauten 003 - Das Kaiser-Komplott
Wut drehte er sich wieder dem Tal zu und starrte auf die andere Seite hinüber. Die Sicht war besser geworden. Er erkannte scharfzahnige Klippen, deren Eishülle die flackernden Lichter des unsichtbar tobenden Kampfes reflektierten.
Vorsichtig beugte er sich weiter vor. Zwischen den Zacken leuchtete ein Lichtpunkt auf, der nicht wieder erlosch und sich rasch vergrößerte. Kein Zweifel, da kam ein Gleiter auf ihn zu. Er winkte heftig mit den Armen und sah, wie die ovale Flugmaschine die Richtung korrigierte und auf ihn zuhielt.
Der große Frontscheinwerfer blendete ihn, und er wandte den Kopf beiseite. Sofort wurde der Strahl schwächer, und der Gleiter drehte ihm die Längsseite zu. Das Einstiegsluk öffnete sich, und die Schleuse wurde ausgefahren. Angenehme Wärme schlug ihm entgegen, und er beeilte sich, seinen unfreundlichen Aufenthaltsort zu verlassen.
An dem Leitpult saß eine junge Frau, die ihm ernst entgegenblickte. Langes, silberblondes Haar wob einen glitzernden Schleier um ein zartes, feinknochiges Gesicht. Den knabenhaften Körper umwallte ein leichtes Gewand aus blausilberner Seide, das ebensoviel preisgab, wie es verbarg, doch von den schattenhaft erkennbaren Gliedern strömte nicht die mindeste Koketterie oder Sinnlichkeit aus.
David blieb die Begrüßung im Halse stecken. Was war aus Lithe geworden, dem lebenslustigen, übermütigen Mädchen, das er gekannt hatte? Er räusperte sich unbehaglich.
»Zu welchem Zweck bist du hierhergekommen?« fragte sie. In ihrer Stimme lag kein Willkommen, keine Freude, nicht einmal das Angebot von Hilfe.
David taumelte zu einem der Sitze und ließ sich fallen. Mit steifen Fingern nestelte er an dem Verschluß des Schneeanzugs und brachte ihn endlich auf. Sein Körper schmerzte von dem plötzlichen Wechsel von Kälte zu Wärme, und in seinem Kopf breitete sich eine blinde Müdigkeit aus. Mit halbgeschlossenen Augen beobachtete er, wie Lithe den Bordcomputer programmierte und starr aus dem Sichtfenster blickte. Sie schien ihn bereits völlig vergessen zu haben. Seltsamerweise war es ihm auch im Augenblick völlig gleichgültig. Vor zehn Jahren hätte es ihn unglücklich gemacht.
Die leichte Erschütterung der Maschine beim Landen weckte ihn aus seinem Dösen. Benommen stieg er aus dem Luk auf den künstlich geglätteten Felsboden einer gewaltigen Höhle.
»Du hattest dich nicht getäuscht, Vater«, sagte Lithe, die hinter ihm stand. »Es war tatsächlich David.«
Merlin III stand vor ihm und betrachtete ihn aus den gleichen kühlen Augen wie seine Tochter. Auch er ließ nicht erkennen, daß der junge Mann dort einst sein Schüler gewesen war. Eine seltsame Ausstrahlung ging wie immer von ihm aus, als stünde er im Zwielicht zwischen Gestern und Heute.
»Ist es deine Angewohnheit«, fragte er abweisend, »jedesmal davonzulaufen, wenn man dich braucht?«
»Ich wüßte nicht!« antwortete David steif. »Ich bin hierhergekommen, um mich um Yggdrasil zu kümmern. Sie hat mich gerufen.«
Merlin strich sich den kurzgeschnittenen Kinnbart und wandte sich an seine Tochter.
»Jetzt – nach zehn Jahren – kommt er, um nach Yggdrasil zu sehen.«
Lithe senkte den Kopf.
»Damals«, Merlin deutete auf David, »hätte dir Yggdrasil ein Ziel geben können, damals vor zehn Jahren. Ich hätte dich geleitet und angewiesen – zu deinem Nutzen und all der Menschen, die von den Manags auf Terra abhängig sind und abhängig bleiben werden. Du hattest die Macht, dich mit Yggdrasil zu verständigen. Du hättest die Monopole der Konzerne brechen können, den Kolonialplaneten die Selbständigkeit geben und die Verhältnisse auf Terra wieder so gestalten können, daß ein Mensch hier leben kann. Doch du wolltest nur Freiheit für dich und bist heimlich geflohen. Hättest du wenigstens Lithe etwas gesagt …«
David fühlte das unbestimmte Gefühl einer Schuld, das ihn schon seit den Gesprächen mit Asen-Ger und seinem Vater begleitete. Gleichzeitig aber bäumte sich wieder ein Zorn in ihm auf, der Zorn auf all jene, die immer etwas von ihm verlangten, ohne etwas dafür zu geben.
»Du also auch!« sagte er bitter. »Die Terranauten, mein Vater und jetzt du! Warum wollt ihr alle ausgerechnet mir diese Last aufbürden? Es gibt bessere Männer als mich. Warum belädt sich nicht Asen-Ger mit der Verantwortung für die Menschheit? Oder du, Merlin? Mir geht es um Yggdrasil. Was ist mit dem Urbaum?«
Merlin lächelte und überging die letzte Frage.
»Dein Wollen ist bedeutungslos.
Weitere Kostenlose Bücher