Die Terroristen
bestätigte Martin Beck zögernd, »das glaube ich auch nicht.«
»Sie können sich vermutlich nicht mehr an die Milchpropaganda erinnern, Herr Kommissar, aber heutzutage sieht es beinahe so aus, als ob die meisten Angaben, die damals verbreitet wurden, falsch waren.«
Martin Beck erinnerte sich sehr gut an den Reklamefeldzug für die Milch, vor allem an einen Mann, der auf Stelzen ging, und daran, dass man in der Schule Milch umsonst bekam. Er hatte aber keine größere Lust, ausführlicher auf dieses Thema einzugehen, und versuchte daher, schnell zur Sache zu kommen, indem er sagte:
»Vor ungefähr einem halben Jahr habe ich als Ihr Zeuge im Prozess gegen ein Mädchen, das Rebecka Lind hieß, ausgesagt.«
»Auf der anderen Seite leben die Katzen hier so gut wie ausschließlich von Milch, und der Reichsanwalt hier, das ist der mit den eigentümlichen rotgelben Flecken im Gesicht, ist 12 Jahre alt. Das ist für eine Katze ganz schön viel.«
»Es geht um diesen Prozess gegen Rebecka Lind.«
»Justizminister, das ist der Kohlschwarze, ist allerdings erst fünf. Aber der vorhergehende Justizminister wurde neun und lebte nur von Milch und Fischklößchen. Der war auch kohlschwarz.«
»Apropos Rebecka Lind …«
»Ja. Dieses Mädchen … Es war nett von Ihnen, auszusagen. Hatte entscheidende Bedeutung.«
Braxen war dafür bekannt, häufig kuriose Zeugen zu laden. Unter anderem hatte er mehrmals versucht, den Rikspolis-Chef zu laden in Prozessen, bei denen es um Schlägereien zwischen Polizei und Demonstranten ging. Aber das war ihm natürlich nicht gelungen.
»Ich habe ein ernstliches Anliegen«, bat Martin Beck, »und ich habe nicht besonders viel Zeit.«
Braxen sagte nichts, sondern nahm einen großen Bissen von seinem Wurstbrot.
Während er kaute, fuhr Martin Beck fort:
»Sie hatten damals noch einen weiteren Zeugen geladen, der dann nicht erschien. Einen Filmdirektor, der Walter Petrus hieß.«
»Hatte ich?«, fragte Braxen mit vollem Mund. »Ja. Das hatten Sie.«
Braxen schluckte. »Jetzt fällt es mir ein. Ich glaube, der war tot oder sonst wie verhindert.«
»Das stimmt nicht ganz. Aber er wurde am Tag danach ermordet.«
»Aha.«
»Warum wollten Sie, dass er aussagt?«
Braxen schien nicht zu hören. Nach einem kurzen Moment öffnete Martin Beck den Mund, um die Frage zu wiederholen. Doch da hob der andere plötzlich die Hand.
»Sie haben vollkommen Recht. Jetzt erinnere ich mich, wie das zusammenhing. Ich hatte die Absicht, ihn als Zeugen zu verwenden, um den Charakter des Mädchens und ihre allgemeine Einstellung deutlicher aufzuzeigen. Aber er weigerte sich, zu erscheinen.«
»Was hatte er mit Rebecka Lind zu tun?«
»Das verhielt sich so: Kurz nachdem Rebecka gemerkt hatte, dass sie in anderen Umständen war, hatte sie eine Anzeige in der Zeitung gesehen, in der jungen Mädchen mit vorteilhaftem Aussehen eine gut bezahlte Stellung mit sehr guten Zukunftsaussichten angeboten wurde. Sie bekam ein Kind und hatte wenig Geld, also schrieb sie auf die Annonce. In dem prompt eintreffenden Antwortschreiben stand, dass sie sich zu einer bestimmten Zeit bei einer bestimmten Adresse einfinden sollte. Ich habe sowohl die Adresse als auch den Zeitpunkt vergessen. Aber der Brief war auf dem Firmenbogen einer Filmgesellschaft geschrieben und von jenem Petrus unterzeichnet worden. Sie hatte den Brief noch; er sah sehr eindrucksvoll aus, mit eingeprägtem Firmennamen und allem Drum und Dran.«
Braxen machte eine Pause, stand auf, ging zu den Katzen und goss mehr Milch ein.
»Und was passierte weiter?«, erkundigte sich Martin Beck.
»Die übliche Geschichte. Die Adresse gehörte zu einer Wohnung, die offenbar auch als Atelier benutzt wurde. Als sie dort hinkam, war jener Petrus zusammen mit einem Fotografen in der Wohnung. Petrus sagte, er sei Filmproduzent mit umfassenden internationalen Verbindungen. Dann wies er sie an, sich auszuziehen. Sie fand, dass das nichts Besonderes sei, wollte aber wissen, welche Art Filme das seien.«
Braxen setzte sein Frühstück fort.
»Weiter«, bat Martin Beck.
Braxen schlürfte aus dem Becher und fuhr fort:
»Roberta zufolge antwortete Petrus, dass es sich um einen künstlerischen Film handelte, der im Ausland gezeigt werden sollte, und dass sie sofort 5 Kronen bekommen würde, wenn sie sich auszöge, damit sie sehen konnten, ob sie geeignet sei. Sie tat das, und die beiden beäugten sie prüfend. Der Fotograf meinte, sie würde wohl taugen, obwohl es eine schwere
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