Die Teufelssonate
stärker als er erwartet hatte.
»Und was wirst du tun, um sie zu retten, Notovich? Sie in Stücke schneiden und den Wölfen zum Fraß vorwerfen? Was hast du denn eigentlich getan, um Senna zu retten? Weißt du das noch?«
»Laß mich los.«
»Natürlich. Du hast ein Blackout gehabt, gehen wir also mal davon aus, daß du dich nicht an alles erinnern kannst, was in jener Nacht geschehen ist. Aber tief im Innern weißt du, was passiert ist, nicht wahr? Du hast sie umgebracht.«
»Das weiß ich nicht.«
»Zweifelst du etwa noch daran? Und das soll ich glauben?«
»Vielleicht war es ein Unfall. Oder vielleicht hat sie ja auch Selbstmord begangen.«
»Selbstmord? Das würde Senna nie tun! Das weißt du genauso gut wie ich!« sagte Valdin auffallend heftig. »Senna hatte zwar so ihre Phasen. Dann war sie ungreifbar und launisch. Aber sie war keine Frau, die jemals Selbstmord begehen würde. Nicht meine Senna. Dafür waren wir zu glücklich.«
»Deine Senna?«
»Du hast schon richtig gehört.«
Auf einmal wurde Notovich von Bildern von einem unbekannten Ort im Tiefsten seines Gedächtnisses überflutet. Ein lautes Lokal in Paris. Blauer Dunst. Weinflaschen. Klebrige Tische. Und in einem Grüppchen vager Bekannter steht da plötzlich Valdin: Valdin, der lacht; Valdin, der auf der Theke steht und singt; Valdin, der bei einer hitzigen Diskussion unbemerkt den Arm um Sennas Schulter legen will. Aber sie schiebt seine Hand weg und zerrt Notovich nach Hause. Senna . Senna im Bett. Sennas Körper, glühende, nackte Haut in einem Nebel von Schweiß. Die Bilder waren fremd und neu, als ob sie nicht zu ihm gehörten. Ein Brief von jemandem, der schon seit Jahren tot war.
»Sind wir wieder da?« fragte Valdin. Er starrte Notovich an, lächelnd wie einer, der seinen ersten Sieg errungen hat. »Du erinnerst dich an mehr, als du zugibst, was? Ich hab doch gesagt, daß es wieder hochkommen würde.«
Notovich fühlte einen Strom heißer Lava durch seinen Leib fließen, der seine Eingeweide verzehrte und aus ihm herausbrechen wollte. Er mußte an sich halten, um Valdin nicht wieder an die Gurgel zu springen.
»Na los, tu's doch«, sagte dieser selbstsicher.
»Willst du etwa behaupten, daß du eine Beziehung mit ihr hattest?«
»Sie hatte dich satt, Notovich. Sie liebte mich.«
»Daß ich nicht lache. Du bist verrückt! Warum erzählst du nicht, was damals passiert ist?«
»Du kennst meine Bedingung: erst ein Duell.«
»Warum? Was willst du bloß von mir? Vivien meint, ich hätte dich mal beleidigt. Ist es das? Etwas, das ich irgendwann vor langer Zeit mal gesagt habe?«
»Getan hast«, verbesserte Valdin ihn.
»Und was war das?«
Valdin schüttelte den Kopf.
Notovich hatte nicht vor, bei dem irrsinnigen Plan mitzuspielen. Er mußte hier weg. Er raffte seine Sachen zusammen; umziehen konnte er sich auch woanders.
»Ich will, daß du dasselbe durchmachst, was ich durch dich durchgemacht habe«, sagte Valdin leise, aber drohend.
»Und dann erzählst du mir, was passiert ist?«
»Vielleicht ist das dann gar nicht mehr nötig. Denn niemand kann sich ewig hinter seinem Gedächtnisverlust verstecken, Notovich. Irgendwann mußt du der Wahrheit selbst ins Auge blicken.«
25
D as Üben ging ihm verblüffend leicht von der Hand. Er sprühte vor Aktivität. Er kochte und machte lange Spaziergänge. Joghurt schmeckte wieder nach Joghurt, Hyazinthen rochen wieder nach Hyazinthen, und seine Musik klang zum ersten Mal wieder wie Musik. Er hatte keine Angst mehr davor. Er ließ Bröll recherchieren, wo Valdins nächster Auftritt stattfinden würde, verriet aber nicht, warum. Linda kam ab und zu vorbei, doch er erzählte ihr nicht, womit er beschäftigt war. Sie fragte ungläubig, wieso es ihm so gut gehe. Vielleicht war sie enttäuscht. An ihrer Fürsorglichkeit war gerade weniger Bedarf.
»Sag mir eins, aber ehrlich, ja? Nimmst du deine Tabletten noch?«
»Das geht dich nichts an.«
»Heilige Jungfrau Maria.«
»Linda, ich funktioniere mit diesen Dingern nicht«, antwortete Notovich geduldig. »Sie stumpfen mich ab.«
»Das hatte auch seine Vorteile, erinnerst du dich?«
»So kann ich nicht leben, mit Chemikalien, die alle Menschlichkeit aus mir heraussaugen. Wie soll ich da je wieder Musik machen?«
»Du warst doch glücklich?«
»Du meinst, ich habe mir nichts angetan? Linda, es geht mir jetzt erst richtig gut. Ich fühle mich phantastisch. Du kannst stolz auf mich sein.«
»Und was lese ich dann in der Zeitung über
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