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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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haben. In den nächsten Stunden würde das Licht an dem ungeschützten Papier arbeiten. Das Bild, auf dem Norah mit Howard lachte, würde langsam dunkler und dunkler werden, bis es – in ein oder zwei Tagen – völlig schwarz wäre.

|272| 13. Kapitel
    September 1977
    S IE GINGEN AUF DEN GLEISEN ENTLANG, DUKE Madison hatte die Hände in den Taschen seiner Lederjacke vergraben, die er bei einem Wohltätigkeitsbasar aufgetrieben hatte, und Paul kickte Steine aus dem Weg, die blechern gegen die Schienen sprangen. Das Pfeifen eines Zugs erklang in der Ferne. In stummem Einverständnis traten die beiden Jungen an den Rand der Gleise und balancierten auf der Schiene. Der Zug hatte sich schon lange angekündigt, die Schienen unter ihnen vibrierten, die Lok war zunächst noch ein kleiner Fleck, der stetig breiter und dunkler wurde. Der Lokführer ließ das Warnsignal ertönen. Paul sah zu Duke hinüber, dessen Augen von Wagnis und Gefahr erfüllt waren, und er fühlte, wie in ihm selbst die Erregung wuchs, je näher der Zug kam. Man hörte das Warnsignal durch alle Straßen des Viertels und weit darüber hinaus. Deutlich sah man nun das Licht und den Zugführer im oberen Fenster, und wieder ertönte das Warnsignal. Der Fahrtwind knickte das hohe Gras am Streckenrand, und Paul schaute auf Duke, der noch immer sein Gleichgewicht hielt Der Zug kam angerauscht, genau auf sie zu, und immer noch verharrten sie. Paul dachte, er würde nie springen. Und dann sprang er doch, fand sich im Gras wieder, und der Zug rauschte nur wenige Zentimeter an seinem Gesicht vorbei. Für einen winzigen Moment hatten sie das Gesicht des Lokführers gesehen, kreidebleich, dann nur noch den Zug, einen dunklen Blitz, die Waggons rauschten vorbei, dann war er fort, entfernte sich langsam, und auch der Fahrtwind verebbte.
    |273| Duke saß keinen halben Meter von ihm entfernt und schaute in den bedeckten Himmel. »Wahnsinn«, sagte er. »Der reinste Hurrikan.«
    Die beiden Jungen strichen sich kurz über ihre Kleider und machten sich auf den Weg zu Duke, der in einem kleinen Arbeiterhaus wohnte, das gleich an der Bahnstrecke lag. Paul war hier geboren, ein paar Straßen weiter, und obwohl seine Mutter manchmal mit ihm hierherfuhr, um ihm das Haus und das kleine Grundstück mit der Gartenlaube zu zeigen, wo er aufgewachsen war, mochte sie es nicht, wenn er sich dort oder bei Duke herumtrieb. Aber wen kümmerte es, sie war ohnehin nie da, und solange er seine Hausaufgaben gemacht, den Rasen gemäht und seine Stunde Klavier geübt hatte, war er frei. Was sie nicht wußte, würde ihr auch nicht weh tun.
    »Dieser Typ im Zug hat sich in die Hosen gemacht«, meinte Duke.
    »Allerdings«, sagte Paul. »Da kannst du deinen Arsch drauf verwetten.«
    Er fluchte gern, zumindest für den Moment dämpfte das Fluchen seine Wut. Er war an jenem Morgen ziellos am Strand entlanggelaufen, hatte es genossen, wie der nasse Sand vor der hereinbrechenden Brandung unter seinen Füßen nachgegeben, wie er die Muskeln seiner Beine beansprucht hatte. Außerdem war er froh gewesen, daß der Angelausflug mit seinem Vater ins Wasser gefallen war. Sein Vater liebte das Angeln, all die Stunden, die man schweigend im Boot oder an einem Steg verbrachte, das unermüdliche Auswerfen und alle Jubeljahre das große Ereignis, etwas zu fangen. Als Kind hatte sich Paul ebenfalls dafür begeistern können – weniger für das Ritual des Angelns als für die Tatsache, auf diese Weise Zeit mit seinem Vater verbringen zu können. Aber als er älter wurde, waren diese Angelausflüge mehr und mehr zur Pflicht verkommen, zu etwas, das sein Vater tat, weil er nicht wußte, was er sonst mit ihm hätte anfangen können. Oder weil er |274| glaubte, daß es sie zusammenschweißte. Paul stellte sich vor, wie er dies in einem Elternratgeber las. Bei einem dieser Ausflüge war er auch aufgeklärt worden. Er hatte auf einem See in Minnesota im Boot gesessen wie in einer Falle, während sein Vater ihn in die Geheimnisse der Fortpflanzung einweihte und dabei noch unter seinem Sonnenbrand errötete. Heute war das Lieblingsthema seines Vaters Pauls Zukunft. Seine Gedanken dazu waren für Paul etwa so interessant wie der Wellengang einer Pfütze.
    Ja, er war glücklich gewesen, als er in Aruba am Strand entlanggelaufen war. Beim Anblick der herumliegenden Kleider vor einem dieser kleinen Strandhäuschen, die in großen Abständen unter den Känguruhbäumen angesiedelt waren, hatte er sich zunächst nichts

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