Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
sie beruhigt – Lady Weston kommt so gut wie nie zum Frühstück herunter.«
Ihr Vater warf ein: »Ich würde gern mit Ihnen zusammen frühstücken, Phillip. Ich bin allerdings ein Frühaufsteher, fürchte ich, undwahrscheinlich schon unterwegs, wenn Sie ihr hübsches Köpfchen aus dem Kissen heben. Ich meine mich zu erinnern, dass Sie noch nie so gern früh aufgestanden sind. Mehr als einmal musste ich Sie persönlich aus dem Bett werfen, weil Mrs Malloy es nicht geschafft hat.«
Phillip ließ den Kopf sinken und lachte verlegen. »Ich fürchte, in dieser Hinsicht habe ich mich wenig verändert, Sir. Aber wenn Sie beide am Frühstück teilnehmen, ist der Ansporn für mich aufzustehen natürlich größer.« Er lächelte sie hoffnungsvoll an.
Emma stieß die Luft aus und erwiderte zögernd sein Lächeln. »Nun gut. Wenn Sie unbedingt wollen. Es wäre Papa ein Vergnügen. Uns beiden wäre es ein Vergnügen.«
Phillip grinste. »Ausgezeichnet.«
Ihr Vater fragte Phillip, ob er Henry gesehen habe, und fügte hinzu: »Gewöhnlich kommt er um diese Zeit auf eine Partie Backgammon vorbei.«
Phillip zögerte. »Ah ja. Gut …« Er deutete mit dem Kinn auf die Tür. »Bei dem Sturm ist er wahrscheinlich schon hinaufgegangen. Ich glaube nicht, dass er heute Abend noch einmal herunterkommt.«
John Smallwood schien verwirrt, war jedoch zu höflich, um Zweifel an dieser höchst unplausibel klingenden Entschuldigung zu äußern. »Und du, Phillip? Hast du vielleicht Lust, mit mir zu spielen?«
Phillip nickte. »Gern. Wenn Emma bleibt und mich anfeuert. Oder mich wenigstens tröstet, wenn ich verliere.«
Emma versicherte, sie wäre zu beidem gerne bereit.
Später, nachdem das Spiel beendet war und der Regen nachgelassen hatte, ging Emma hinauf und klingelte nach dem Mädchen.
»Haben Sie es auch gehört, Miss?«
»Den Sturm?«, fragte Emma.
Morva öffnete den Mund, um zu antworten, doch dann schien sie es sich anders zu überlegen. »Ja, das könnte der Grund gewesen sein.«
Das flinke Hausmädchen half Emma, sich auszukleiden und ins Nachthemd zu schlüpfen, und wünschte ihr eine gute Nacht.
Emma ging zu Bett und schrieb ihre Eindrücke von Phillip in ihr Tagebuch. Sie hielt auch die Veränderungen fest, die ihr an ihm aufgefallen waren. Wie seine breiten Schultern und seine Größe den Mann verrieten, der er geworden war. Doch sein jungenhaftes Gesicht und sein warmes Lächeln erinnerten sie noch immer an den Knaben, den sie einst ihren Freund genannt hatte.
Sie tauchte ihre Feder ein, dann hielt sie inne und überlegte, ob er sich wohl an den Abend im dunklen Smallwood-Wohnzimmer erinnerte. Sie hoffte und fürchtete es zugleich.
Als sie schließlich die Kerze ausblies und in den Schlaf fiel, träumte sie, dass sie alle drei in ebenjenem Smallwood-Wohnzimmer saßen – sie, Phillip und ihr Vater. Emma und ihr Vater lasen, Phillip spielte auf dem alten Cembalo. Seine Finger entlockten dem Instrument helle, perlende Töne, während er sich an einem Stück versuchte, das sie nicht kannte.
Da ging die Tür auf und ihre Mutter kam herein. Emma erwartete, dass Phillip aufhörte zu spielen, doch er fuhr fort, als hätte er nicht gesehen, wie Mrs Smallwood eintrat. Emma warf ihm einen Blick zu und deutete mit dem Kopf auf ihre Mutter. Doch Phillip lächelte Emma nur an und spielte weiter.
Merkte er denn nichts? Da stand ihre Mutter; sie war am Leben und sah gut aus.
Emma stand auf und ging quer durchs Zimmer; ihr Herz klopfte vor Glück, ihre Mutter wiederzusehen.
Rachel Smallwood ließ den Blick an ihr herunter- und wieder hinaufwandern und schüttelte verärgert den Kopf. »Du sollst dich gerade halten, Emma.« Dann sah sie das dicke Buch in Emmas Hand. »Und warum musst du vor Mr Weston unbedingt deine alten Bücher lesen? Du weißt doch, dass er niemals einen Blaustrumpf heiraten würde.«
Demütigung schlug über Emma zusammen und erstickte das Glücksgefühl, das sie soeben noch empfunden hatte.
Sie schlug die Augen auf und der seltsame Traum verblich. Die Töne aber blieben. Sie lag da, starrte in die Dunkelheit und lauschte.Die Musik war real. Irgendjemand spielte im Musikzimmer Klavier. War es wieder Julian? Oder war es Phillip, wie in ihrem Traum?
Der Traum … Emma war enttäuscht, dass ihre Mutter in Wirklichkeit nicht mehr lebte, aber auch erleichtert, dass sie vor Phillip nicht so tief blamiert worden war.
Zu wach, um gleich wieder einzuschlafen, schlug sie die Bettdecke zurück, schlüpfte mit
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