Die Tochter des Königs
an ihres.
Auf ihren Wangen erschienen rote Flecken. »Hör auf, mich so herumzukommandieren, Daniel.« Schließlich gelang es ihr, sich aus seinem Griff zu befreien. »Ich bin keine Sklavin, die dir in allem gehorchen muss …«
Daniel starrte sie an. Eine Sklavin. Titus hatte für alles Sklaven gehabt, wofür auch immer. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wo war Titus? Ohne etwas wahrzunehmen, starrte er seine Frau an, der Gedanke lenkte ihn momentan ab, dann lächelte er. Die Vorstellung seiner ach so gepflegten, kultivierten Frau in Ketten gefiel ihm überaus gut.
Sie bemerkte den Ausdruck, und einen Moment zeigte sich Panik auf ihrem Gesicht. Dann blickte sie ihn entschlossen
an. »Verschwinde, Daniel«, zischte sie. »Fahr nach London. Ich bin kein verängstigtes Kind, das alles tut, was du ihm aufträgst. Ich bin die Mutter deiner Kinder und eine selbstständige Frau, und momentan habe ich nicht den Wunsch, dich jemals wiederzusehen. Vielleicht ändere ich meine Meinung, das ist möglich, aber jetzt möchte ich in diesem Sommer erst einmal meine Ruhe.«
Er packte sie am Unterarm. »Wovon redest du da? Hast du mit Jess gesprochen?« Seine Augen blitzten vor Wut.
Einen Moment sah sie überrascht aus, dann seufzte sie. »Ach, Jess ist es also gewesen. Ich habe mich schon gefragt, wer es war. Ehrlich gesagt, bin ich nicht besonders überrascht. Sie hat dir doch immer schon gefallen, oder etwa nicht?« Sie schüttelte den Kopf. »Die arme Jess. Hast du ihr sehr wehgetan?«
»Was?« Plötzlich schäumte er vor Wut. »Ich habe ihr überhaupt nicht wehgetan! Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!«
Sie warf ihm einen mitleidigen Blick zu, bevor sie sich umdrehte und ins Haus zurückging. Einen Moment blieb er reglos stehen, dann lief er zum Tor, sprang in den Wagen und fuhr rückwärts zur Einfahrt hinaus. Mit quietschenden Reifen wendete er und fuhr den Weg zurück, den er gekommen war. Nach Ty Bran war es nicht weit, und wenn sie dort war, dann würde er sie finden und dafür sorgen, dass es ihr leidtat, je mit Nat gesprochen zu haben. Es würde ihr noch leidtun, je geboren worden zu sein.
Togo? Togo? Wo bist du? Lass mich nicht allein!
Jess stand am offenen Fenster ihres Schlafzimmers und sah über den Hof hinaus.
Sie runzelte die Stirn. »War das Togo dort im Grab, mein Herz?«, flüsterte sie. »Bist du weggegangen, um nach deiner
großen Schwester zu suchen, und dann konntest du ihn auch nicht mehr finden?« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Togo! Togo!
Die Stimme verschwand langsam den Pfad hinauf.
»Was ist mit dir passiert, mein Herz?«, fragte Jess heiser. Leise öffnete sie die Tür. Die anderen waren mittlerweile auch aufgestanden. Sie hörte ihre Stimmen aus der Küche. Stephs Kichern, das dunkle Lachen ihrer Mutter. Die konnte sie jetzt nicht ertragen. Sie wollte allein sein. Alles war ihr einfach zu viel. Das kleine Skelett, die Vorstellung, dass das Kind mutterseelenallein und verängstigt davonkroch inmitten der Wälder, wo es das einsame Heulen eines Wolfs und das Krächzen eines Raben und den wilden Schrei eines Adlers hörte, der den Boden aus großer Höhe nach Beute absuchte. Das Kind, das sich versteckte, vielleicht sogar die Menschen nach sich rufen hörte, aber zu große Angst hatte, herauszukommen, weil seine großen Schwestern ihm gesagt hatten, es solle sich versteckt halten.
Leise ging sie die Stufen hinab und zur Haustür hinaus. Durchs Fenster sah sie die beiden in der Küche, Steph stand am Herd, während Aurelia den Tisch deckte.
Sie schaute zu dem kühlen, süß duftenden Schatten unter dem Blätterdach des Waldes, ging durchs Tor und den Feldweg hinauf zu den Bäumen.
Sie spürte einen Druck am Hals, knapp unter dem Ohr. Noch während Eigon sich fragte, was sie denn geweckt hatte, hörte sie ein Flüstern. »Pst! Hör mal.« Es war Commios, er kniete an ihrem Bett, seine Hand lag auf dem Kissen neben ihrem Kopf. Er hatte den alten Soldatentrick angewendet, um sie ohne einen Laut zu wecken. »Titus ist hier. Er hat im mansio nach uns gefragt. Drei römische Reisende. Wir waren leicht zu erkennen. Wir müssen sofort weg.«
»Drusilla?« Eigon setzte sich auf, ihr Herz raste.
»Sie ist schon wach und packt unsere Sachen. Wir dürfen keine Spur hinterlassen. Wir dürfen auch nicht zum Fluss. Sie überwachen alle Anlegestellen, ebenso die Ein- und Ausfahrt zur Stadt. Wir müssen sofort aufbrechen, über die Mauer in die Wälder, und wir müssen beten, dass sie
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