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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Rhodri bestätigen.« Eine weitere Pause. »Natürlich hast du mit Rhodri gesprochen.« Kurze Stille. »Das stimmt doch, oder? Der große, extravertierte, laute Rhodri! Na, ihm hast du ja nicht lang erklären müssen, dass du eine Heidenangst vor Geistern hier im Haus hast, dass du halluziniert hast, jemand hätte deine Zeichnungen vollgekritzelt, dass du Weinflaschen zerschlagen und mir die Schuld dafür gegeben hast. Er weiß es ja, er hat’s mit eigenen Augen gesehen.« Jess hörte seine schweren Schritte, wie er wütend zum Ende des Flurs ging, kehrtmachte und wieder vor ihrer Tür stehen blieb. »Dir ist schon klar, dass ich die Tür eintreten könnte«, sagte er nach einer ganzen Weile. »Du kommst mir nicht aus, Jess. Es wäre viel klüger, wenn du mit mir reden würdest. Du willst mich doch nicht reizen. Überleg dir nur mal - wenn dir etwas zustoßen würde, wer würde mich verdächtigen? Ich würde sagen, wie durcheinander du bei unserem Treffen in Hay warst. Das würde Rhodri bestimmt bestätigen. Wenn du dich also umbringen solltest, würde das niemanden wundern. Du weißt doch selbst, wie merkwürdig du dich verhalten hast, sogar in der Schule. Du hast aus heiterem Himmel gekündigt. Hast dich sogar geweigert, deine Sachen selbst abzuholen. Nein, Jess, niemand würde sich wundern, wenn es dazu käme. Aber das möchten wir doch vermeiden, oder? Also komm raus. Ich kann warten, ich habe alle Zeit der Welt.«
    Schweiß lief Jess über den Rücken. Er drohte, sie umzubringen. Sie holte tief Luft. »Die Tür kannst du nicht eintreten, Daniel, die ist aus massiver Eiche.« Sie schwieg kurz. »Also gut, dann warten wir eben.« Sie bemühte sich, möglichst unbekümmert zu klingen. »Lang wird’s nicht dauern,
Rhodri schaut nach dem Frühstück vorbei. Bis dahin lese ich ein bisschen. Du kannst ja draußen warten.« Sie setzte sich auf das Bett, schaltete die Nachttischlampe an und griff nach ihrem Buch.
    Gleich darauf legte sie es wieder aus der Hand und lauschte angestrengt. Aus dem Flur war nichts zu hören. Die Amsel hatte ihr wunderschönes Lied begonnen, während die Sonne als glühender Ball am Horizont aufstieg.
    Sind die bösen Männer wieder da?
    Die Stimme war im Raum klar und deutlich zu hören. Mit klopfendem Herzen sah Jess sich um. »Ja, sie sind wieder da.« Sie sprach ziemlich laut. »Wo bist du denn, mein Herz?«
    »Was sagst du da?« Daniels Stimme war etwas gedämpft, offenbar stand er nicht mehr direkt vor der Tür.
    »Ich habe nicht mit dir geredet.«
    »Ach nein?«
    »Nein.« Sie lächelte finster, dann drehte sie sich um und sprach zu dem leeren Raum zwischen dem Bett und dem Fenster. »Glads, kannst du Hilfe holen?« War es wirklich das kleinere Kind? Jess war sich ziemlich sicher. Die Stimme klang heller, zaghafter. »Können wir jemanden finden, der den bösen Mann vertreibt?« Sie sprach leise, damit Daniel ihre Worte nicht verstehen konnte.
    »Mit wem redest du?« Einen Moment klang er misstrauisch, dann lachte er. »Also gut, eine Sekunde hast du mich fast getäuscht, aber nur eine Sekunde lang! Ich hab den ganzen Tag Zeit, Jess.«
    »Nur bis Rhodri kommt!« Sie wandte sich wieder zum Fenster. »Glads, bist du noch da?«
    Es kam keine Antwort. Jess seufzte. Es war verrückt, eine Antwort zu erwarten. Zwanzig Minuten sagte weder sie noch Daniel ein Wort, dann hörte sie seine Schritte auf dem
Flur weggehen, aber nicht zurückkommen. War er fort? Vielleicht, um das Haus zu durchsuchen? Sie schlich zur Tür. »Daniel? Sag mir die Wahrheit. Jetzt macht es ja nichts mehr. Hast du so getan, als wolltest du meine Bilder ruinieren? So als eine Art Streich?«
    »Und wie genau sollte ich den Streich angestellt haben?« Seiner Stimme nach zu urteilen, stand er nah bei der Tür. Vielleicht lehnte er dagegen. »Ich habe Gläser und Blut und einen zweiten Skizzenblock mitgebracht, oder wie?«
    »Klingt eher unwahrscheinlich«, gab sie zu. »Und was glaubt Natalie, wo du jetzt bist?«
    »In London. Also mach dir keine Sorgen, sie erwartet mich in den nächsten Tagen nicht zurück, Jess.« Sein Ton war spöttisch.
    Sie setzte sich wieder auf das Bett. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass jemand sie besuchen kam? Ausgesprochen gering. Es sei denn, Rhodri überlegte sich, vor seiner Abfahrt nochmal bei ihr vorbeizuschauen. Vielleicht rief er an und stellte fest, dass das Telefon noch immer nicht funktionierte, und machte sich Sorgen. War das denkbar? Jess überlegte fieberhaft. Das war ihre

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