Die Tochter des Magiers
würde ich sagen, daß sie … es
gemacht haben.« Als Max sie weiterhin niedergeschmettert anstarrte,
wiederholte sie bestürzt: »Max, du bist doch nicht etwa wütend?«
»Nein. Nein.« Er schüttelte den Kopf. Unsicher stand er auf
und ging wie in Trance zur Reling. Sein Baby. Ihm war, als sei ihm ein
Stück seines Herzens weggerissen worden. Sein kleines Mädchen. Und der
Junge, den er seit so langer Zeit als seinen Sohn betrachtete. Sie
waren erwachsen geworden. Tränen stiegen ihm in die Augen. »Ich hätte es wohl merken müssen, nehme ich an«, murmelte er, als Lily
einen Arm um ihn legte.
Behutsam zog er sie näher an sich. »Ob sie es auch so schön
haben werden wie wir, was meinst du?«
Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und lächelte. »So
schön wie wir kann es niemand haben, Max.«
In dieser Nacht kam er zu ihr. Sie wartete
bereits auf ihn. Obwohl sie sich immer wieder gesagt hatte, es sei
albern, war sie viel nervöser als am Abend zuvor. Wahrscheinlich lag es
daran, daß sie beim ersten Mal die Initiative ergriffen und genau
gewußt hatte, was sie wollte.
Doch heute nacht sah alles anders aus.
Sie war dankbar, daß er nicht gleich nach der letzten
Vorstellung in ihre Kabine gekommen war, sondern ihr Zeit gelassen
hatte, ihr Bühnen-Make-up zu entfernen, das Kostüm auszuziehen und
einen schlichten blauen Morgenrock überzustreifen. Doch gleichzeitig
war sie nur noch unsicherer geworden. Ihr Herz schlug viel zu rasch.
Der Nachmittag war wunderschön gewesen. Lily hatte mit ihrer
Vermutung recht gehabt. Sie waren durch die Straßen Montreals
geschlendert und draußen vor einem Café in der Sonne gesessen. Auf
ihrer Frisierkommode stand ein Blumenstrauß, den er für sie bei einem
Straßenhändler gekauft hatte. »Es war ein gutes Publikum heute abend«,
meint Roxanne nun und ärgerte sich gleichzeitig über diese belanglose
Bemerkung.
»Ja, stimmt.« Mit einer raschen Handbewegung ließ er eine
einzelne weiße Rosenblüte in seiner Hand erscheinen.
»Danke«, lächelte sie und versuchte, ihre Nervosität zu
bezwingen. Schließlich wußte sie jetzt, was sie zu erwarten hatte und
konnte sich auf seine Zärtlichkeiten freuen. Der Schmerz ging schnell
vorüber und war nur ein geringer Preis für das herrliche Danach, wenn
sie in seinen Armen lag und sich an ihn schmiegen konnte.
Luke sah ihr die Verunsicherung so deutlich an, daß er sich am
liebsten immer wieder verflucht hätte für sein gedankenloses Verhalten
in der vergangenen Nacht. Aber das nutzte jetzt nichts mehr.
Als er mit einer Hand ihre Wange streichelte, schaute sie ihn
an, und er war dankbar, daß in ihrem Blick mehr lag als nur Angst. Und
die Angst wollte er ihr nehmen. Mit einer flinken Bewegung ließ er eine
Kerze in seiner Hand erscheinen.
Roxanne lachte. »Nicht schlecht.«
»Warte nur ab.« Er ging zur Kommode und zog einen
Kristallständer, den er aus dem Speisesaal gemopst hatte, aus der
Tasche. Vorsichtig stellte er die Kerze auf und schnippte mit den
Fingern. Der Docht flackerte auf.
»Soll ich applaudieren?« fragte Roxanne.
»Noch nicht.« Er schaltete das Licht aus. »Damit kannst du
warten, bis die Vorstellung vorüber ist.«
Erneut überkam sie eine leise Unsicherheit. »Aha, demnach habe
ich noch mehr zu erwarten?«
»Viel mehr sogar.« Luke war fest entschlossen, sie für seine
Gedankenlosigkeit gestern nacht zu entschädigen. Er nahm ihre Hand und
drückte seine Lippen auf das schmale Handgelenk, wo ihr Puls wie ein
Trommelwirbel schlug. »Ich habe doch gesagt, daß es mehr als eine
Möglichkeit gibt, Roxanne.« Zärtlich küßte er ihre Wangen. »Aber genau
wie beim Zaubern ist es besser, es zu zeigen, als nur davon zu
erzählen.« Er nahm ihr die Rose aus den Fingern. »Ich werde dir nicht
wieder weh tun.«
Unsicherheit und Sehnsucht spiegelten sich in ihren Augen. »Es
ist in Ordnung«, flüsterte sie.
»Vertrau mir.«
»Das tue ich.«
»Nein, noch nicht«, sagte er und küßte sie. »Aber bald.« Er
zog sie in seine Arme.
Unwillkürlich verkrampfte sie sich, obwohl sie sich danach
sehnte, seine starken Hände und seine fordernden Küsse zu spüren. Doch
heute abend waren seine Lippen sanft und lockend.
»Laß dich von mir entführen.« Er lächelte, als sie unbewußt
leise aufstöhnte. »In ein magisches Land.«
Roxanne hatte bereits das Gefühl zu schweben, noch ehe er
diesen ersten leidenschaftlichen Kuß beendete und mit seinem Mund zum
Ansatz ihrer Kehle glitt, wo ihr Puls unruhig
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