Die Tochter des Magiers
so klar, daß er sich fragte, ob er sich diese sonderbare
Verwirrtheit, die ihn manchmal überkam, nur eingebildet hatte. »Wir
erwarten in Kürze die Pläne des Hauses in Tennessee und der
Zweitwohnung in New York. Die Schaltpläne der jeweiligen Alarmanlagen
erhalten wir später.«
»Dann können wir wenigstens in Ruhe Weihnachten feiern«,
erklärte Lily zufrieden, für die es eine wichtige Tradition war,
ungestört die Feiertage zu genießen. »Da wir heute abend alle hier
sind, können wir auch gleich den Baum schmücken.« Sie schaute unsicher
zu Roxanne und Luke. »Jean hat einen Braten im Ofen.«
»Mir diesen kleinen knusprigen Kartoffeln und Karotten?« Luke
spürte das sehnsüchtige Knurren seines Magens, der sich zwei Wochen
lang mit Mahlzeiten aus Imbißläden und einem völlig mißlungenen
Brathähnchen hatte abfinden müssen.
Roxanne versetzte ihm einen Rippenstoß. Schließlich hatte sie
sich alle Mühe gegeben mit diesem blöden Hähnchen. »Der Mann ist
schrecklich verfressen. Uns braucht niemand zu bestechen, damit wir
bleiben.«
»Schaden tut's aber nichts.« Luke warf LeClerc einen
flehentlichen Blick zu. »Gibt's auch frische Brötchen?«
»Und ob. Vielleicht bleiben sogar genügend Reste zum Mitnehmen
fürs kleine Hündchen daheim – oder besser für einen jungen
Wolf.«
Die Tage bis Weihnachten und Neujahr
vergingen wie im Flug. Alle hatten Geschenke einzukaufen, es wurden
Plätzchen gebacken, die bei Luke und Roxanne allerdings verbrannten,
und wie jedes Jahr gaben sie eine Zaubervorstellung zugunsten des
Kinderkrankenhauses, die fünftausend dringend benötigte Dollar
einbrachte.
Das trübe, regnerische Wetter hielt sich hartnäckig bis in den
März, worunter besonders die Straßenkünstler litten. LeClerc blieb
meistens in seiner gemütlich warmen Küche und wagte sich nur selten
hinaus. Nicht einmal zum Markt ging er mehr, denn er fühlte jeden
Windstoß direkt bis in die Knochen.
Das Alter, dachte er mürrisch, ist ein verfluchtes Elend. Als
die Tür sich öffnete und ein eisiger Regenschauer mit hereinwehte, fuhr
er auf.
»Mach die verdammte Tür zu. Das ist hier keine Höhle.«
»Entschuldige.«
Luke erhielt nur einen finsteren Blick zur Antwort. Er trug
weder Hut noch Handschuhe und nur eine Jeansjacke zum Schutz vor den
Elementen. LeClerc empfand bei seinem Anblick bitteren Neid.
»Kommst du her, um dir ein Almosen zu holen?«
Luke schnuppert genüßlich. Es roch verlockend nach Bratäpfeln.
»Wenn ich was kriegen kann?«
»Warum lernst du nicht selbst mal kochen? Du bildest dir ein,
du könntest wann immer es dir gerade einfällt hier reinspazieren und
mit vollem Bauch wieder gehen. Ich betreibe aber keine Suppenküche.«
Da Luke hinreichend an LeClercs schroffe Art gewöhnt war, goß
er sich nur seelenruhig eine Tasse Kaffee ein. »Ach, weißt du, ich
glaube, ein Mann kann bloß eine begrenzte Anzahl von Sachen wirklich
gut machen.«
LeClerc schnaubte höhnisch. »Worin bist du denn so gut, mon
ami , daß du nicht mal ein Ei kochen
kannst?«
»Im Zaubern.« Luke nahm einen Teelöffel Zucker, ballte eine
Faust und ließ die weißen Körner zwischen Daumen und Zeigefinger
rieseln. Er wartete eine Sekunde, dann öffnete er die Hand, um zu
zeigen, daß sie leer war. LeClerc schnaubte erneut, was allerdings auch
ein Lachen sein konnte. »Und im Klauen.« Er reichte LeClerc die
zerschlissene Brieftasche zurück, die er ihm aus der Gesäßtasche
stibitzt hatte, als er an ihm vorbei zum Herd gegangen war. »Und in der
Liebe.« Er griff nach seiner Tasse und nahm einen Schluck. »Aber das
mußt du mir so glauben ohne Demonstration.«
LeClercs verwittertes Gesicht überzog ein Grinsen. »Du findest
also, das alles machst du besonders gut, ja?«
»Sogar großartig. Also, wie wäre es mit einem dieser
Bratäpfel?«
»Setz dich und iß am Tisch, wie man es dir beigebracht hat.«
LeClerc, der sich insgeheim über die Gesellschaft freute, begann wieder
seinen Sauerteig zu kneten, wobei sich die Schlangen an seinen Armen
rhythmisch bewegten. »Wo ist Roxanne?«
»In ihrem Gymnastikkurs. Vielleicht geht sie danach noch mit
ein paar anderen Frauen zum Essen.«
»Und da suchst du inzwischen was anderes zum Vernaschen, oui ?«
»Ich habe mir den ganzen Tag lang über die neue
Entfesselungsnummer den Kopf zerbrochen und brauchte mal eine Pause.«
Er wollte nicht zugeben, daß ihm die Wohnung ohne Roxanne bedrückend
leer erschienen war. »Bis Mardi Gras bin ich soweit.«
»Das
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