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Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Antiquitäten
handelte. Aber er fand, daß diese prächtig schimmernden Tische, die
zierlichen Sofas, die hübschen Porzellanlampen und die idyllischen
Landschaftsgemälde genau zu Max paßten.
    Sein Lieblingsplatz war jedoch der Balkon draußen vor seinem
Zimmer. Dort konnte er die Sonne genießen, die Blumen riechen und
Touristen beobachten, die Fotos machten und Souvenirs erstanden.
    Unwillkürlich fiel ihm auf, wie sorglos alle mit ihren
Geldbörsen umgingen. Frauen steckten sie in Handtaschen, die ihnen über
die Schultern baumelten. Männer schoben sie in die Gesäßtaschen ihrer
Jeans … es war das reinste Paradies für jeden Taschendieb.
Wenn aus Miami nichts wurde, konnte er hier mühelos sein Gehalt als
Zauberlehrling aufbessern.
    »Du bist überall voll Zucker«, erklang Roxannes Stimme hinter
ihm.
    Luke fuhr zusammen. Er warf einen Blick auf seine Hände und
wischte sie hastig an seinen Jeans ab. »Na und?«
    »LeClerc wird toben. Zucker zieht Insekten an.«
    »Ich mache es nachher sauber.«
    Sie kam zu ihm ans Geländer. »Was tust du hier?«
    »Einfach gucken.«
    »Daddy sagt, wir können uns den ganzen Tag freinehmen. Morgen
müssen wir mit den Proben für die neue Kabarettnummer im Club anfangen.«
    »In welchem Club?«
    »Im Magic Door.« Sie spielte mit den Blumen, die sich um das
Geländer rankten. »Wir können dort größere Illusionen machen als auf
dem Jahrmarkt. Manchmal geht Daddy auch während des Tages rüber und
führt Taschenspielereien für einige Gäste vor.«
    Luke vergaß seine Furcht vor LeClercs Ärger und möglichen
Strafen. Er wußte nicht, welche Rolle er in einer Kabarettnummer
spielen würde, aber er wollte auf alle Fälle mit dabeisein. »Wie viele
Vorstellungen pro Abend?«
    »Zwei.« Sie hatte eine Clematisblüte abgepflückt und
versuchte, sie hinter ihr Ohr zu stecken. »Um acht und um elf. Wir sind
die Stars des Programms.« Sie zog eine Grimasse. »Deshalb muß ich jeden
Tag nach der Schule ein Nickerchen machen. Wie ein Baby.«
    Roxannes Probleme waren Luke herzlich gleichgültig. »Macht er
auch die Kartentricks?«
    Sie schlenderte zurück ins Zimmer, um ihren Blumenschmuck im
Spiegel zu betrachten. »Oh, er erfindet andere.«
    Luke nickte. In seinem Kopf entstand ein Plan. Er beherrschte
die Tricks, die Roxanne ihm auf sein ständiges Drängen hin gezeigt
hatte, schon ziemlich gut. Und er hatte täglich mindestens eine Stunde
mit den Hütchen geübt. Er mußte es Max nur mal zeigen. Es wäre
schrecklich, wenn man ihn jetzt aus der Nummer strich.
    »Daddy hat mir Geld für Eis gegeben. Sollen wir losgehen und
uns eins kaufen?«
    »Nein.« Luke war viel zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt,
um sich von dieser Einladung ablenken zu lassen. »Verschwinde, ja? Ich
muß nachdenken.«
    »Um so mehr kriege ich«, erwiderte Roxanne spitz und trollte
sich schmollend.
    Sobald er allein war, zog Luke seine Karten heraus und begann
zu üben. Doch er hatte kaum angefangen, als er erneut abgelenkt wurde.
    Es war eine Stimme, eine Stimme, die ihm durch Mark und Bein
ging. Er versuchte sie zu überhören, aber er war wie hypnotisiert von
diesem volltönenden Alt, der nur für ihn allein zu erklingen schien.
Wie magisch angezogen trat er hinaus auf den Balkon.
    Er entdeckte sie sofort. An der Ecke stand eine Frau in einem
wallenden geblümten Kleid, mit einem roten Turban auf dem Kopf und
einer Haut wie schimmerndes Ebenholz. Sie sang hingebungsvoll und ohne
jede Begleitung Gospels, eine Pappschachtel zu ihren Füßen.
    Er war bis ins Innerste berührt von ihrem Gesang. Etwas so
Schönes hatte er noch nie zuvor gehört.
    Die Stimme schwebte durch das ganze Viertel. Die Frau machte
weder eine Pause, als sie eine kleine Zuhörerschar angelockt hatte,
noch achtete sie auf die Münzen, die in ihre Schachtel regneten.
    Luke überlief eine Gänsehaut, und seine Kehle war wie
zugeschnürt.
    Hastig rannte er ins Zimmer und kramte aus dem Beutel, den er
unter dem Kopfkissen versteckt hatte, einen zerknüllten Dollarschein
heraus. Dann lief er hinaus in den Flur und stürmte die Treppe hinunter.
    In der Halle entdeckte er Roxanne, die Puderzucker aufwischte,
während LeClerc sie beaufsichtigte und ihr eine Strafpredigt hielt.
    »Gegessen wird in der Küche, nicht im ganzen Haus. Sieh zu,
daß du auch alle Krümel auffegst, hörst du?«
    »Mache ich ja.« Sie hob den Kopf, um Luke die Zunge
rauszustrecken.
    Sein Herz war so erfüllt von dieser Musik, und gleichzeitig
war er so verwirrt

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