Die Tochter des Magiers
»Ihm hat's gefallen.«
»Wenn du das noch mal versuchst, erlaube ich mir auch einen
kleinen Scherz.« Sie tippte ihm auf die Brust. »Dann stehst du aber mit
einer blutigen Lippe da.«
Er packte ihr Handgelenk, ehe sie davonstürmen konnte. Draußen
bejubelte das Publikum Max und Lily, das Lukes Hochstimmung noch
verstärkte. Nie im Leben hatte er sich besser gefühlt.
»Hör mal, Rox, was wir auf der Bühne machen, ist reine Show.
Genauso ein Job wie die Sache morgen nacht in Potomac.« Irgendein Dämon
trieb ihn dazu, ihr den Weg zu versperren und sie gegen die Wand zu
drängen. »Nichts Persönliches.«
Ihr Herz klopfte beängstigend rasch, aber sie zwang sich zu
einem unverbindlichen Lächeln. »Vielleicht hast du recht.«
Er roch ihr Parfüm, die Bühnenschminke, die leicht
verschwitzte Haut. »Natürlich habe ich recht. Es ist nur eine Sache
von …« Im blieb die Luft weg, als sie ihm einen Ellbogen in
den Bauch rammte. Geschmeidig huschte sie an ihm vorbei und lächelte,
diesmal allerdings triumphierend.
»War nicht persönlich gemeint«, säuselte sie, eilte in ihre
Garderobe und verschloß die Tür, um das Kostüm zu wechseln.
Bei ihrer nächsten Begegnung waren sie, nur
durch eine dünne Sperrholzplatte getrennt, in einer Trickkiste
eingesperrt und hatten nur wenige Sekunden, um ihre Plätze zu tauschen.
»Mach das nicht noch mal«, zischte Luke, während sie die
Positionen wechselten. »Ich schwöre dir, ich schlage zurück.«
»Oh, da zittere ich aber vor Angst.« Roxanne sprang an Lukes
Stelle unter donnerndem Applaus aus der Kiste.
Bei der Schlußverbeugung kniff Luke sie fest genug, daß siegarantiert einen blauen Fleck bekommen würde. Roxanne trat
ihm kräftig auf den Fuß.
Mit einer eleganten Geste zog er Rosen aus der Luft und
reichte sie ihr. Lächelnd nahm sie die Blumen entgegen, und ehe sie
reagieren konnte, hatte er sie gepackt und küßte sie. So einfach wollte
er sie nicht davonkommen lassen.
Denn nur für das begeisterte Publikum sah es aus wie ein Kuß.
In Wahrheit biß er sie.
»Du Mistkerl«, fauchte sie, gezwungenermaßen lächelnd trotz
ihrer schmerzenden Lippe, ehe sie Hand in Hand die Bühne verließen.
Luke hielt die Luft an, als sie seinen Daumen packte und verdrehte.
»Jesus, Rox, nicht! Ich kann ohne meine Hände nicht arbeiten.«
»Dann laß die Finger von mir, klar?« Jetzt würde ihm sein
Daumen wenigstens genauso weh tun wie ihr die Unterlippe. Gemeinsam
betraten sie neben Max und Lily die Bühne für eine letzte Verbeugung.
»Ich liebe das Showgeschäft«, lachte Roxanne übermütig.
Die Vorsicht hielt Luke davon ab, ihr ins Hinterteil zu
treten. Er nahm ihre Hand und war diesmal auf der Hut. »Ich
auch …«
Der krönende Abschluß des Abends war der
festliche Empfang im Weißen Haus. Roxanne hielt eigentlich ebensowenig
von Politik wie Max, da er zwar zur Wahl ging, was er als sein Recht
und seine Pflicht betrachtete, das Ganze aber eher als eine Art
Glücksspiel einstufte.
Es waren auch nicht die Politiker, die Roxanne gefielen,
sondern das förmliche Milieu in Washington. Ein himmelweiter
Unterschied zu New Orleans, dachte sie und betrachtete die elegant
gekleideten und doch irgendwie spießig wirkenden Tänzer im Ballsaal.
»Du hast es weit gebracht mit deiner Zauberei.«
Roxanne drehte sich um, und ihr freundliches Lächeln verflog
umgehend. »Sam! Was machst du denn hier?«
»Ich genieß die kleine Feier – fast so sehr, wie ich
eure Vorstellung genossen habe.« Er nahm ihre Hand und hob sie an seine
Lippen.
Er hatte sich erstaunlich verändert. Aus dem schlampigen,
schlecht gekleideten Teenager war ein schlanker, gepflegter Mann
geworden. Sein rotblondes Haar war tadellos geschnitten, er trug einen
Frack, und an seiner Hand glitzerte ein dezenter Diamantring. Roxanne
erhaschte den Duft eines teuren Herrenparfüms, als er sich über ihre
Hand beugte.
Irgendwie schien er in die Atmosphäre im Weißen Haus zu
passen. Er strahlte die unverwechselbare Aura von Wohlstand und Erfolg
aus. Und wie in der Politik, dachte sie, liegt darunter der leichte
Gestank der Korruption.
»Du bist erwachsen geworden, Roxanne. Und wunderschön.«
Sie zog hastig ihre Hand zurück, wie sie das Gefühl hatte, als
sei sie mit einer lebensgefährlichen elektrischen Hochspannungsleitung
in Kontakt gekommen. »Das könnte ich auch von dir sagen.«
Er lachte, und seine makellosen Zähne blitzten. Keine Spur war
mehr von den Zahnlücken, die Luke ihm geschlagen
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