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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er die harmlosen Passanten an. »Weg! Einfach weg! Und mich treten sie in den Hintern! Habe ich das verdient?«
    Am 15. August – zwei Tage nach dem Abtransport der Zarenfamilie aus Petersburg in die Verbannung nach Tobolsk – heirateten Nikolai Gurjew und Nadja Grigorijewna.
    Rutschkin und der dicke Glatzkopf waren die Trauzeugen … Nadja hatte es so gewollt. Mit saurer Miene standen die beiden entblößten Hauptes in der Kirche, starrten auf die Ikonostase, beugten die Knie, als das Brautpaar vereint wurde, und ließen sich von dem Popen segnen, dem sie den Untergang angesagt hatten. Ja, sie mußten sogar das hingehaltene Kreuz küssen, und sie taten es, obgleich Rutschkin leise stöhnte: »Ich beiße hinein! Genosse, ich beiße glatt hinein!«
    Doch dann beglückwünschten sie Gurjew und Nadja, klatschten in die Hände, als sie sich den Hochzeitskuß gaben, und begleiteten das Brautpaar zur Kutsche, die sie wegfahren sollte zu einer Woche einsamen Glücks … in eine kleine Waldhütte am Rand der großen Wälder, die Gurjew entdeckt und gemietet hatte.
    »Viel Glück!« schrie der Glatzkopf und schwenkte seine Mütze.
    »Viel Glück!« rief auch Rutschkin.
    Am Abend trug Nikolai Gurjew seine junge Frau über die Schwelle der Blockhütte. Ein Lehmofen brannte, es roch nach Tee. Wärme schlug ihnen entgegen.
    »Es ist kein Palast, den ich dir bieten kann«, sagte er. »Ein Tisch, eine Bank, zwei Stühle, ein Ofen, Nägel an den Wänden für die Kleider und ein Bett, ein breites, warmes, weiches Bett. Das ist alles!«
    Nadja sah sich um. Ihr Gesicht leuchtete.
    »Gib mir ein Messer, Niki …«, sagte sie fröhlich.
    Gurjew sah sie belustigt an, ging zum Ofen, nahm ein Fleischmesser und reichte es Nadja. »Willst du mich gleich in der ersten Nacht erstechen?«
    Nadja schüttelte den Kopf. Wie ein kleines Mädchen war sie, so lustig und ausgelassen. Sie setzte das Messer innen am Futter ihres Mantels an, schlitzte die Naht auf und holte eine kurze Schnur heraus. Wie ein Bleiband sah es aus, aber als sie den Stoff aufschnitt, rollten blitzende Steine über den rohen Tisch … Smaragde und Rubine und einige funkelnde Brillanten.
    »Mein Hochzeitsgeschenk …«, sagte sie leise und streichelte die Haare Gurjews, der sich über die Steine beugte und die Hände um sie legte.
    »Woher?« stammelte Gurjew.
    »Von der Zarin, Liebster. Für diesen Tag …«
    »Das ist ein Vermögen, Nadjuscha.«
    »Es ist nur ein Teil. Ich habe noch mehr eingenäht. Perlen und Brillanten …«
    Gurjew setzte sich schwerfällig auf einen Stuhl. Er starrte auf die glitzernden Steine und umfaßte die Knie Nadjas, die neben ihm auf dem Tisch saß.
    »Ein Vermögen. Ein Lichtblick in all der Finsternis! Wenn wir das alles verkaufen … o Gott!« Er sprang auf. Sein Gesicht glühte. »Damit können wir den Zar befreien! Nadja … wir können den Zar befreien! Das ist es doch, was ich will. Darum bin ich Revolutionär geworden! Um das Vertrauen der anderen zu gewinnen! Alles ist vorbereitet … eine Gruppe von zwanzig Offizieren … sie warten auf das Signal … Und hier ist es! Hier!« Er zeigte mit beiden Händen auf Nadjas Edelsteine.
    Mit angstvollen Augen sah ihn Nadja an. Sie verstand ihn nicht. Sie wollte ihn nicht verstehen.
    »Du willst den Zar befreien …«, sagte sie leise. »Und wir … unser Glück … Nikolai, wach auf! Wach auf, Nikolai!« Und sie legte beide Hände über die glitzernden Steine.
    »Wieviel Geld brauchst du, um den Zaren zu befreien?« fragte sie ruhig.
    »Wir wollten nicht mehr davon reden, Nadjuscha!« rief Gurjew.
    »Ich kann dir helfen, Niki. Wir fahren nach Podunskoje. Ich verkaufe das Haus und das Land meiner Mutter. Es gehört ja mir. Ich bin ihre einzige Tochter! Wir werden Tausende von Rubeln haben! Ein großer Landbesitz ist's.«
    »Gott hat nicht aufgegeben, Engel zu schicken«, sagte Gurjew ergriffen. »Wann fahren wir?«
    »Wenn du willst, morgen schon.«

5
    In Podunskoje herrschte ein Mensch, den man unter dem Namen Janis Antonowitsch Skamejkin kannte. Aus Tjumen war er schon vor sechs Jahren gekommen, hatte von dem Land der Helena Feodorowna Woronzowa einfach Besitz ergriffen, bewohnte das zweistöckige Herrenhaus, beschäftigte zehn Tagelöhner, ließ große Landstriche kultivieren und bepflanzen, züchtete Pferde und benahm sich, so klagte der Starost, der Dorfvorsteher von Podunskoje, wie Rotz in einer Trinkernase.
    Als Janis Antonowitsch Skamejkin einzog, beschäftigte das natürlich die anderen

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