Die Todesbotschaft
Bewegung vor ihm zurück. Ich hätte nicht zu sagen gewusst, was mich zurückhielt. Vielleicht war es einfach der Moment, der mir der falsche zu sein schien.
Sein Lächeln hätte mich fast schwankend gemacht. »Geduld war noch nie meine Stärke. Ihre aber schon, oder?«
Eva-Marias Wohnung mit Blick auf den Lietzensee hatte etwas von einem Nest. Alles wirkte weich und warm, die Farben ebenso wie die Stoffe. In ihrem dunkelgrünen Sofa mit den zahllosen Kissen versank man, sobald man sich darauf niederließ. Die Wände waren zur Hälfte vollgestellt mit alten Bücherschränken und Kommoden. Dazwischen hingen Schwarz-Weiß-Fotografien der unterschiedlichsten Künstler.
In eine Sofaecke gekuschelt nippte ich an einem Glas Johannisbeersaftschorle, nachdem ich meiner Freundin mehrfach versichert hatte, keinen Hunger zu haben und nur auf einen Sprung vorbeigekommen zu sein. Ich wollte früh schlafen gehen.
»Unser Telefonat am Freitagmorgen ist mir noch eine ganze Weile nachgegangen«, meinte Eva-Maria, die mit seitlich angewinkelten Beinen in ihrem Sessel saß und sich mit einer Hand durch die roten Locken fuhr.
»Ich bin so froh, dass dieser Spuk vorbei ist und Amelie nichts passiert ist. Sie wird übrigens demnächst in die Detektei eintreten«, wechselte ich das Thema, da ich diesen verdammten Brief nur noch vergessen wollte.
»Um fortan im Leben anderer Leute herumzuschnüffeln?«, fragte Eva-Maria erstaunt. »Darauf hat sie tatsächlich Lust? Ich an ihrer Stelle würde lieber in einer Anwaltskanzlei bleiben, anstatt in ein Gewerbe zu wechseln, das immer öfter im Zusammenhang mit irgendwelchen Bespitzelungsskandalen durch die Medien geistert.«
Ich dachte an den Vortrag, den mein Vater mir zu dem Thema gehalten hatte. Er hatte die Medienberichte als Spitze eines Eisbergs bezeichnet.
»Finja?«
Eva-Maria wedelte vor meinen Augen herum.
»Was hast du gesagt?«
»Ich habe gefragt, ob die Detektei deines Vaters möglicherweise auch in solche Machenschaften verwickelt ist. Vielleicht versucht jemand, der Opfer einer Bespitzelungsaktion geworden ist, sich an ihm und seinen Partnern zu rächen und schreibt deswegen solche Briefe.«
»Für ganz ausgeschlossen halte ich es nicht«, antwortete ich mit einiger Verzögerung. »Hättest du mich das Gleiche allerdings noch vor ein paar Wochen gefragt, hätte ich es weit von mir gewiesen.«
»Ich weiß.« Eva-Maria lächelte. »Wann immer ich dich gefragt habe, was die bei
BGS&R
so treiben, hast du deren Fahne ziemlich hochgehalten. Was hat deine Meinung geändert?«
»Als neulich in den Nachrichten etwas über einen Discounter berichtet wurde, der seine Mitarbeiter hat ausspionieren lassen, und ich nachfragte, meinte mein Vater ziemlich kryptisch, sie würden sich weitestgehend im legalen Rahmen bewegen. In einem ähnlichen Zusammenhang hat mich Amelie übrigens als realitätsblinde Idealistin bezeichnet.«
»Was nichts anderes heißt, als dass sie ihre Zielpersonen nicht ausschließlich mit legalen Mitteln bespitzeln.«
»Wenn ich ehrlich bin, möchte ich das gar nicht so genau wissen.«
»Weil sonst das Bild deines Vaters angekratzt würde?«, fragte sie vorsichtig.
»Mach dir einfach selbst ein Bild von ihm.«
»Du weißt doch: Mich bekommen keine zehn Pferde von Berlin weg.«
»Dann werde ich ihn dir vorstellen, wenn er das nächste Mal in der Stadt ist.«
»Besser nicht«, winkte Eva-Maria ab. »Er hat ganz bestimmt keine Lust, sich einen meiner Vorträge über Persönlichkeitsrechte und Datenschutz anzuhören.«
Es war kurz nach dreiundzwanzig Uhr, als das Klingeln des Telefons mich aus dem Schlaf hochschrecken ließ. Wer immer mit mir sprechen wollte, würde sich bis zum nächsten Morgen gedulden müssen. Während ich mich auf die andere Seite drehte, wünschte ich, ich hätte den Anrufbeantworter leise gestellt oder wenigstens die Schlafzimmertür geschlossen. Im nächsten Moment war ich hellwach, sprang mit einem Satz aus dem Bett und rannte zum Telefon.
»Adrian?«, schrie ich in die Leitung. »Bist du noch dran?«
»Finja …« Sekundenlang war nur sein Schluchzen zu hören.
»Ist etwas mit Amelie?« Noch während ich die Frage stellte, hatte ich das Gefühl, von einer eiskalten Welle gepackt und unter Wasser gedrückt zu werden.
»Ich war bei meinem Vater, es ging ihm nicht gut. Und dann …«
»Was ist mit ihm?« Ich hielt die Luft an.
»Er hatte einen Zusammenbruch. Sein Arzt musste kommen.«
Mein Herz klopfte bis zum Hals. »Das
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