Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
Tisch. »Brennen deine Schwüre noch in deinem Geiste?«
»Talanas zu dienen, indem wir der Menschheit dienen.« Sie zitierte das Gelöbnis mit einstudierter Sicherheit. »Die Knochen zu richten, das Fleisch zu verbinden, die Kranken zu heilen, den Sterbenden Linderung zu spenden. Talanas und der Menschheit zu dienen.«
»Dann schöpfe Mut aus deinen Schwüren, während deine Gefährten ihren Mut aus der baren Münze beziehen. Wir alle dienen der Menschheit auf unterschiedliche Art und Weise, je nachdem, ob wir das Leben oder den Stahl lieben.«
Es war unmöglich, seine Zuversicht nicht zu teilen; sie strahlte wie ein göttliches Licht. Er war die Verkörperung des Dieners des Heilers, ein weißer Geist, der sich deutlich und rein gegen den Schmutz und die Düsterkeit um ihn herum abhob, unbefleckt und ohne Makel, selbst wo alles von Makel durchsetzt war.
Dennoch, trotz all seiner Reinheit war er, dessen war sie sich bewusst, auch ihr Arbeitgeber und ihr Vorgesetzter, und nicht ihr Gefährte, ganz gleich, wie innig sie sich das wünschte. Sie warf einen sehnsüchtigen Blick zum Aufgang, als ihr all jene einfielen, die sie auf dem Deck zurückgelassen hatte.
»Vielleicht kann es nicht schaden, wenn ich hinaufgehe und herausfinde, ob ich ihnen auf irgendeine Weise Kraft geben kann.« Sie drehte sich wieder zu ihm herum. »Werdet Ihr derweil…?«
Ihre Stimme erstarb, sie riss erschreckt die Augen auf und
verschränkte unwillkürlich die Hände, die plötzlich eiskalt waren.
»Lord Emissär!«, keuchte sie. »Hinter Euch!«
Miron wandte ihr das lange Gesicht zu und folgte dann ihrem Blick. Er zuckte weder zusammen, noch erstarrte er wie sie, sondern hob lediglich eine weiße Braue, was zeigte, dass er es ebenfalls sah. Wie hätte er es auch übersehen sollen?
Es hing vor dem Fenster und drückte den fahlen Körper an das Glas, während es sich mit langen, dürren Armen festhielt. Es schien sich um ein männliches Exemplar zu handeln, haarlos und nackt bis auf einen mit Dolchen gespickten Gurt, der um seine Hüften gewickelt war. Auf der blassen Haut leuchtete ein verschmiertes rotes Emblem, das durch das Rauchglas nicht zu erkennen war.
Asper unterdrückte einen Schrei, als es sein Gesicht an das Fenster presste. Seine Augen waren schwarz, wo sie hätten weiß sein sollen, und anstelle der Pupillen hatte es winzige silberfarbene Punkte. Es ließ eine Hand sinken und tippte gegen das Glas, während sein Mund sich zu einem schwarzen Loch öffnete und es ein unmissverständliches Wort formulierte.
Priester.
Miron stand auf. »Das ist empörend.«
»Lord Emissär«, sie flüsterte aus Angst, dass die Kreatur sie hören könnte, »was ist das?«
»Ein Eindringling«, antwortete er, als würde das alles erklären. »Genauer, ein Froschwesen.«
»Ein Froschwesen?«
Er nickte bestätigend. »Wenn du freundlicherweise deine Gefährten darüber in Kenntnis setzen würdest, dass ihre Anwesenheit hier unten erforderlich ist, wäre ich dir überaus dankbar.«
Bevor sie auch nur daran denken konnte, seinem Wunsch Folge zu leisten, fühlte sie, wie sich die Planken unter ihren Füßen neigten, als das Schiff heftig schwankte. Über ihnen
brach tosender Lärm aus, und in ein anscheinend höfliches Gespräch mischte sich ein kreischendes Heulen, dem ein lautes Brüllen antwortete, ein tiefes Grollen, untermalt von bösartigem Gelächter.
Irgendetwas war auf Deck passiert, und offenbar war Gariath daran beteiligt. Dann hörte Asper noch etwas anderes.
Es drang aus den Kabinen hinter der Messe tief im Bauch des Schiffes bis zu ihr: Das Geräusch einer eisernen Bullaugenklappe, die auf die Planken fiel, feuchte Füße, die über das Holz gingen, der krächzende Befehl in einer Sprache, die sie noch nie gehört hatte; es waren weder menschliche noch shictische Laute.
Etwas war gerade in das Schiff eingedrungen.
Und dieses Etwas kam näher.
Ihre Hand zitterte, als sie nach ihrem Stab griff. Lenks Hände würden nicht zittern, dachte sie. Atemlos und mit schlotternden Knien schlich sie zu der Tür der Messe. Katarias Knie würden nicht schlottern. Ihre Stimme klang piepsig, erstarb ihr auf den Lippen, als sie versuchte zu sprechen. Gariath würde nicht piepsen.
Doch Lenk, Kataria und Gariath waren woanders. Sie dagegen stand hier, zwischen den Geräuschen und dem Lord Emissär. Als sie den soliden Eichenstab umklammerte, wusste sie, dass die Krieger diesmal das Kämpfen ihr überlassen mussten.
»Lord Emissär«,
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