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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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schlagen lassen. Offene Feindseligkeit schlug ihr entgegen, und ihre Beine zitterten. Aber hier ging es um Leni, und sie würde nicht weichen.
    Mit einem Mal änderte sich die Miene der Frau. »Sind Sie hier, um endlich Ihre Schulden zu bezahlen? Das wurde aber auch Zeit. Wir sind schon am Verhungern, und das Gör frisst uns die Haare vom Kopp.«
    Greta fand, die Frau sah ausgesprochen gut genährt aus, aber sie sagte nichts, sondern nickte nur.
    Â»Na, denn mal rin in die gute Stube.«
    Endlich machte Lotte Kröger Platz.
    Greta betrat den kleinen Raum. Ein durchgesessenes Rosshaarsofa stand unter dem einzigen Fenster. Drei Türen gingen ab, und Greta erinnerte sich daran, dass sie inein Schlafzimmer, in eine fensterlose Küche und in einen weiteren winzigen Raum führten, der Leni als Zimmer diente. Die Wohnung erschien ihr schäbiger als bei ihrem Besuch im Herbst. Oder spielte ihr die Erinnerung einen Streich? War es hier auch damals schon so dreckig gewesen und sie hatte sich den Ort, an dem Leni lebte, nur in Gedanken schöner gezeichnet, weil die Wahrheit so schwer zu ertragen war? Für einen Moment war Greta unsicher, aber dann entdeckte sie das lebhafte Gewimmel an den Wänden und wusste, sie hatte sich nicht getäuscht. Wanzen hatte es hier im Herbst noch nicht gegeben.
    Voller Grauen dachte sie daran, wie sie damals mit Mutter und Tante in die Georgstraße umgezogen war. Viola Voss war in Ohnmacht gefallen, als sie das Ungeziefer entdeckt hatte. Wanzennester hinter den Tapeten, Kakerlaken in der Küche. Greta hatte mit heftigem Würgereiz kämpfen müssen. Einzig Mathilde Voss hatte die Nerven behalten und sich sofort an die Bekämpfung des Getiers gemacht. Sie schürte das Feuer im Kohleofen und kochte den ganzen Tag über Wasser. Dann riss sie die Tapeten ab und verbrannte sie. Die Wanzen verschwanden im wilden Aufruhr überall in Mauer- und Fußbodenritzen. Darauf übergoss Mathilde die Wände und den Fußboden mit kochendem Wasser. Greta, die sich von ihrem Übelkeitsanfall erholt hatte, half ihr dabei. Einzig Viola stand wie versteinert daneben.
    Anschließend wurde die Küche ganz ausgeräumt und mit Brennspiritus begossen. Der wurde angezündet, woraufhin Tausende von Kakerlaken mit lautem Geknister verbrannten. Viele aber verkrochen sich auch in die Ritzen. Daher musste die Prozedur in den folgenden Wochenmehrmals wiederholt werden, bevor die Wohnung endgültig von Ungeziefer befreit war. Und auch Mathildes neues Heim musste von Grund auf gesäubert werden.
    Reglos stand Greta da, starrte auf die verwanzte Kröger'-sche Wand und erinnerte sich an die schrecklichen Anfänge in der Georgstraße. Erst als kleine Hände nach ihren Röcken griffen, kam wieder Leben in sie. Sie hat mich nicht vergessen, schoss es ihr durch den Kopf, und für einen Moment empfand sie reines Glück. Rasch hockte sie sich nieder und schaute in Lenis himmelhelle Augen.
    Â»Hallo«, murmelte sie. Wenigstens schien die Kleine sauber zu sein, aber Greta fand, sie war erschreckend mager. Durch das fadenscheinige Kleidchen konnte sie die spitzen Rippen fühlen.
    Lenis Mund verbreitete sich zu einem glücklichen Lächeln. »Du bist gekommen«, sagte sie mit ihrer klaren hohen Stimme. »Ich wusste, dass du kommst. Und du riechst so gut. Was ist das?«
    Endlich entspannte sich Greta. Sie war hier, bei ihrem Kind. Alles war gut.
    Lotte Kröger zerstörte den glücklichen Moment. »Was ist nun mit unserem Geld? Sie schulden uns sechs Reichsmark.«
    Seufzend erhob sich Greta und griff in ihr Ridikül. Die Handtasche war ein Erbe ihrer Mutter aus besseren Zeiten. Sorgfältig zählte sie die Münzen in die rissige Hand der Frau. Aus einer Eingebung heraus legte sie noch zwanzig Pfennig darauf.
    Â»Vielleicht möchten Sie unten in der Kneipe einen Grog trinken gehen? Ich würde mit Leni gern eine halbe Stunde allein sein.«
    Lotte Kröger starrte sie voller Misstrauen an. »Warum das denn?«
    Â»Nur so«, erwiderte Greta. »Es wäre einfach schön.«
    Lotte machte ein Gesicht, als könnte sie sich im Leben nicht vorstellen, was schön daran sein sollte, mit diesem Gör allein zu sein. Aber schließlich zuckte sie mit den Schultern und wandte sich zur Tür. »Aber Schlag zwölf kommt mein Mann nach Hause. Dann müssen Sie wieder weg sein.«
    Greta nickte, obwohl sie sich fragte,

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