Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
eigentlich anders vorgestellt. Glaubte Leon wirklich, ein Recht auf eine Hauptfrau und zahllose Nebenfrauen zu haben?
Und das Schlimmste an der Sache war: Meine Schwester Susanne hatte recht gehabt!
»Und das Mädchen mit dem Kopfverband? War sie bei ihm, als der Unfall passierte?«
»Ja.« Marcel sah mich an. »Ist das wirklich noch wichtig für dich? Du solltest dich nicht unnötig quälen.«
»Du hättest dafür sorgen können, dass ich mich nicht so quälen muss, indem du mir reinen Wein eingeschenkt hättest. Deine Fürsorge kommt also reichlich spät«, gab ich zurück.
Er zuckte mit den Achseln. »Wie du willst.«
Mein pampiger, kleiner Angriff war wirkungslos an ihm abgeprallt, denn er hatte nicht einmal die Miene verzogen.
»Ja, Madeleine … äh … das Mädchen war bei ihm«, sagte er beiläufig und stopfte sich eine ganze Blüte in den Mund.
Zu beiläufig für meinen Geschmack. Madeleine … komischerweise alarmierte mich die Tatsache, dass er zuerst ihren Namen genannt hatte und dann zurückgerudert war, indem er die betont neutrale Bezeichnung das Mädchen benutzte.
»Was ist mit dieser Madeleine? Du verschweigst mir doch was!«, rief ich.
Ich war aufgeregt, hatte Angst vor seiner Antwort und wollte sie trotzdem unbedingt wissen.
Marcel kaute hektisch an der Marzipanlilie. Er hob entschuldigend die Hände und zeigt dann auf seine wohlgefüllten Backen. Tut mir leid, ich kann mit vollem Mund nicht sprechen, sollte das wohl heißen. Ein kläglicher Versuch, Zeit zu schinden.
Aber nicht mit mir, mein Freund.
»Lass den Quatsch«, keifte ich und boxte ihn gegen den Arm. »Was ist mit dieser Madeleine?«, wiederholte ich.
Er kaute noch schneller, würgte den Rest herunter, verschluckte sich, hustete krampfhaft, rang röchelnd nach Luft und tastete panisch nach seinem Glas, während ich mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte und ihn wütend anstarrte.
Als er sich gegen die Sofalehne zurückfallen ließ und nur noch ein bisschen röchelte, setzte ich sofort nach.
»Ehe wir den Faden verlieren – du wolltest mir etwas über Madeleine erzählen.«
Gleichzeitig fragte ich mich permanent, warum ich so fanatisch auf eine Antwort erpicht war, die mich – und das wusste ich ganz sicher – entweder extrem wütend oder extrem traurig machen würde.
Marcel resignierte. »Sie ist schwanger von ihm«, sagte er, ohne mich anzusehen.
Man konnte also gleichzeitig extrem wütend und extrem traurig sein. Dieser kleine, kurze, lakonisch dahingesagte Satz von Marcel raubte mir buchstäblich den Atem, seine Ungeheuerlichkeit füllte mein gesamtes Denken aus.
Ich weiß nicht, wie lange ich völlig bewegungslos dagesessen hatte, als in mein Bewusstsein drang, dass Marcel mich sachte an der Schulter rüttelte.
»Helene? Alles in Ordnung mit dir?«
Ich hörte seine Stimme wie durch Watte, hatte auch keinerlei Bedürfnis, ihm zu antworten.
»Helene?«
Ich wandte mich ihm zu, ganz langsam, und sah ihn an. »Was ist?«
Er versuchte ein schiefes Lächeln und sagte: »Leon ist nicht gut für dich. Du würdest mit ihm sehr unglücklich werden. Er macht alle Menschen unglücklich, die ihn lieben. Und wenn du bis jetzt noch ein Argument für eure Trennung gesucht hast …«
Er hatte natürlich recht.
Ich konnte mir Leon nicht einfach so aus dem Herzen reißen. Wer weiß, vielleicht könnte er mich sogar überzeugen, dass er ab jetzt immer treu sein würde, wenn er die Gelegenheit dazu hätte. Er hätte genau gewusst, welche Knöpfe er bei mir drücken muss.
Aber die Tatsache, dass dein zukünftiger Ehemann eine andere Frau geschwängert hat, während du selbst dir ein Kind von ihm wünschst, lässt keine andere Entscheidung zu als die Trennung.
Nicht, wenn du auch nur das geringste Fünkchen Selbstachtung im Leib hast.
»Mach dir keine Sorgen, ich werde ihn verlassen. Einen Gefallen kannst du mir noch tun«, bat ich.
»Welchen?«
»Halte Leon von mir fern. Ich gebe dir Bescheid, wann er wieder in die Wohnung kann. Wenn er etwas braucht, rufst du mich an und kannst es dann hier abholen. Ich will ihn keinesfalls sehen oder sprechen.«
»Wie soll ich das denn machen?«, begehrte er auf.
»Lass dir was einfallen. Das bist du mir schuldig. Allein schon für die fette, alte Kuh.«
Er grinste kurz. »Also gut. Ich versuche mein Bestes.«
Gut so.
Ich konnte nur hoffen, dass er sein Versprechen hielt, denn ich konnte nicht dafür garantieren, Leon nichts zu tun, sollte er mir noch einmal vor die Flinte
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