Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
ich nicht, Helene. Ich bin sicher, dein Vater denkt genauso. Und im Übrigen: Was soll denn schlecht daran sein, wie dein Vater die Torten macht? Es hat sich bis jetzt noch niemand darüber beschwert. So ein durchgedrehtes Tralala will doch kein Mensch! Unsere Kunden werden denken, wir haben den Verstand verloren!«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich herausfordernd an. Eines wurde mir klar: Selbst wenn meine Entwürfe ihr gefielen, sie würde es nicht zugeben. Zumindest jetzt nicht.
Aber ich war viel zu euphorisch, als dass sie mich damit hätte treffen können. Oma gefiel es, selbst Paps sprang über seinen Schatten und erkannte immerhin meine handwerklichen Fähigkeiten an, was mir schon viel bedeutete. Außerdem hatte ich absolut keine Lust auf Streit und versuchte sie zu beschwichtigen.
»Darum geht es doch auch nicht, Mama. Ich sage doch nicht, dass meine Ideen besser sind. Nur anders. Aber Paps hat mir vorgeschlagen, unser Angebot im Sommer zu erweitern, zur Probe.«
Ihr Blick flog zu meinem Vater. Aus ihren Augen schossen Blitze. »Und wieso weiß ich nichts davon? Wie kommst du dazu, über meinen Kopf hinweg Entscheidungen zu treffen, ohne mich …«
»Weil ich hier der Chef bin«, unterbrach mein Vater sie brüsk.
»Ach ja? Und warum arbeite ich mir hier dann vierzehn Stunden am Tag den Rücken krumm und stehe rund um die Uhr in deinem Laden und darf mich um alles kümmern, wenn du hier der Chef bist?«
Mein Vater blieb unbeeindruckt. »Ich kann ja mal mit Backen aufhören, dann brauchst du auch nicht mehr im Laden zu stehen, Waltraud. Dann haben wir nämlich nichts mehr zu verkaufen.«
Meine Mutter schnappte nach Luft. Da sie offenbar erkannte, dass sie bei ihrem Gatten nicht weiterkommen würde, ging sie auf mich los und zeterte: »Da kommt das gnädige Fräulein angerauscht und will ihren Eltern mal zeigen, wie es in der großen weiten Welt zugeht, oder wie? Ihren kleinen, provinziellen Hinterwäldler-Eltern? Jetzt fühlst du dich wohl sehr überlegen!«
»Waltraud, lass das Mädchen in Ruhe, sie hat nichts dergleichen gesagt«, erwiderte meine Oma scharf. »Du machst dich nur selbst klein, wenn du so etwas denkst. Niemand will dich übergehen. Ich finde es schön, dass Peter unserer Helene eine Chance gibt.«
»So, da habt ihr euch ja fein gegen mich verschworen, da könnt ihr euch gratulieren«, schnappte meine Mutter beleidigt und rauschte aus der Küche. Die Tür knallte hinter ihr zu.
»Paps, wenn du das erst mit Mama klären möchtest …«, begann ich, aber mein Vater schüttelte den Kopf.
»Ich stehe zu meinem Wort. Wir probieren das miteinander aus, basta.«
»Ich will aber nicht, dass ihr meinetwegen streitet.«
Oma lachte. »Dafür brauchen die beiden dich nicht, Helene, keine Sorge. Ich schlage vor, wir nehmen einige von deinen Torten mit ins Hochzeitsalbum.«
Beim »Hochzeitsalbum«, von dem Oma sprach, handelte es sich um ein Fotoalbum, das Kunden vorgelegt wurde, die eine Torte zu einem besonderen Anlass bestellen wollten.
Die Leute kamen aus einem Umkreis von zwanzig, dreißig Kilometern zu meinem Vater, um ihre Hochzeitstorten bei uns zu ordern.
»Warum nur Hochzeiten?«, fragte ich. »Torten und Gebäck zu allen Gelegenheiten! Manchmal muss man der Fantasie der Leute nur ein bisschen auf die Sprünge helfen! Eine Geburtstagstorte kann aussehen wie ein eingepacktes Geschenk, oder …«, ich blätterte durch meine Kladde, bis ich das gesuchte Bild fand, »… hier, diese zum Beispiel.«
»Das ist doch ein aufgeschnittener Schinken«, befand meine Oma.
»Nein, das ist eine Torte, die aussieht wie ein aufgeschnittener Schinken«, klärte ich sie auf. »Ist doch der Knaller für einen Metzger, oder? Ich kann dir eine Torte machen, die aussieht wie unsere Konditorei, Oma, oder wie dein Garten, verstehst du? Und ich meine damit nicht ein blödes, flaches, rechteckiges Ding mit einem Bild drauf, sondern ein dreidimensionales Objekt! Vielleicht hat ja ein Winter-Brautpaar mal Humor und möchte einen dreistöckigen Schneemann als Hochzeitstorte und eine Armee von winzigen Schneemännern, die die Gäste als Andenken mit nach Hause nehmen können!«
»Du bist verrückt«, sagte meine Oma und lächelte mich liebevoll an. »Aber wir gehen ja kein Risiko ein, wenn wir deine Bilder ins Album packen, oder? Außerdem bin ich sicher, wir werden Erfolg damit haben. Und darüber hinaus? Was könntest du dir für unser tägliches Geschäft vorstellen?«
»Hm, was haltet
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