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Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)

Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tortenkönigin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Conrad
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rauslassen.
    » Die da gibt es hier nicht, Susanne«, tadelte meine Großmutter leise.
    »Doch – die gibt es hier«, widersprach Susanne und deutete wieder auf mich, »und zwar da! Jemand, der sich derart danebenbenimmt, verdient es nicht, dass man höflich mit ihm umgeht! Das tut sie ja auch nicht!« Sie schnaufte.
    Meine Oma öffnete den Mund zu einer Antwort, aber ich hatte genug. Als hätte ich einen internationalen Staatsempfang ruiniert!
    »Du spinnst doch«, sagte ich, »was ist denn schon groß passiert? Ich gebe dir einen guten Rat: Nerv mich nicht mit diesem kindischen Mist.«
    Susannes Blick flog zu meiner Mutter, und damit war Waltraud, die stets Untadelige, offiziell in den Ring eingeladen. Sie verlor keine Zeit und schnarrte: »Du hast Susanne blamiert, Helene. Ich kann verstehen, dass sie sich vor den Janssens für dich in Grund und Boden geschämt hat. Ich habe es auch getan. Du fandest es vermutlich lustig, was allerdings deiner reichlich unterentwickelten Reife entsprechen würde.«
    Das ging zu weit. Vor allem deshalb, weil sie damit der Wahrheit zu nah gekommen war. Ich hatte es ziemlich lustig gefunden, und ja: das war unreif gewesen.
    Umso wütender machte mich die Tatsache, dass sie es beide wussten.
    Oma hob beschwichtigend die Hand, aber mein innerer Gaul galoppierte bereits unkontrolliert los. Sie drückten einfach auf die richtigen Knöpfe, verdammt. Eine leise Stimme – vermutlich die der Vernunft – versuchte, sich in meinem Kopf Gehör zu verschaffen. Leider wieherte der Gaul zu laut, und das piepsige, kleine Stimmchen in mir verhallte ungehört.
    »Ich möchte jetzt genau von euch wissen, was ihr hier zu meckern habt. Ich habe am Samstag weder auf den Teppich gepinkelt noch die Janssens mit Essen beworfen. Bei allem Respekt, aber ihr spinnt. Beide.«
    »Du weißt haargenau, was du gemacht hast!«, keifte Susanne schrill und sprang von ihrem Stuhl auf. Wie eine Rachegöttin beugte sie sich mit buchstäblich gesträubten Haaren über den Tisch. »Du hast wie eine Schlampe ausgesehen!« Ihre Augen glitzerten, als sie das böse S-Wort in meine Richtung spuckte, die übelste Beschimpfung, die meine brave Schwester kannte.
    Während ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, dass Oma versuchte, sich Gehör zu verschaffen, feuerte ich zurück: »Besser, als sich mit Mitte dreißig auszustaffieren wie eine langweilige, jungfräuliche Handarbeitslehrerin kurz vor der Rente!«
    Der Gaul in mir wollte sich gerade zu dieser überaus stilvollen und eloquenten Retourkutsche gratulieren, als der Stereo-Beschuss losging. Meine Mutter und meine Schwester hackten gleichzeitig auf mir herum, wie unmöglich ich ausgesehen hätte, wie irritiert die Janssens gewesen seien, wie unsagbar beschämend und peinlich mein Verhalten für die bedauernswerte Gastgeberin gewesen sei, was die Janssens denn jetzt wohl von unserer Familie denken sollten nach diesem Skandal …
    »Allzu doll kann die Meinung der Janssens über unsere Familie ja nicht sein, wenn es reicht, eine Jeans mit Loch anzuziehen, um unseren Ruf bei langjährigen Bekannten zu ruinieren«, murmelte ich.
    »Du wirst es nicht schaffen, dass ich nicht mehr hocherhobenen Hauptes die Straße entlanggehen kann, du nicht!«, tobte meine Mutter. »Wie kannst du es wagen, derart respektlos zu sein? Ich würde dich am liebsten …«
    »Was würdest du am liebsten?«, schoss ich zurück. »Mich rauswerfen?«
    In diesem Moment schlug Oma mit der Hand auf den Tisch, und wir Streithennen zuckten zusammen und sahen sie an. Oma war bleich, und ihre Augen sahen traurig aus.
    »Ihr solltet euch schämen«, ächzte sie. Sie schwankte, dann wurde sie grau im Gesicht und sackte zusammen.
     
    Mein Stuhl fiel mit einem lauten Knall um, als ich aufsprang und panisch zu meiner Großmutter rannte. Sie saß noch immer auf dem Stuhl, aber ihr Kopf hing vornüber, und sie gab kein Lebenszeichen von sich. Ich tastete mit fliegenden Fingern nach ihrem Puls und spürte nichts. Ich redete mir ein, zu aufgeregt zu sein, um einschätzen zu können, ob da ein Puls war oder nicht.
    »Was ist los mit ihr?«, kreischte meine Mutter und starrte Oma mit schreckgeweiteten Augen an.
    »Weiß ich nicht! Ruft endlich den Notarzt an!«
    Meine Mutter stolperte aus dem Zimmer, aber Susanne blieb wie angewurzelt stehen und zischte: »Bist du jetzt zufrieden?«
    Am liebsten hätte ich auf sie eingeprügelt, für diese Bemerkung hätte sie es verdient. Aber wir standen alle unter Schock, und es gab

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