Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)
Geschichten aus dem Dorf. Oder von einer ihrer Diäten, mit der sie ihrem Körpergewicht von fast achtzig Kilo bei einer Größe von einem Meter und zweiundsechzig zu Leibe rücken wollte. War sie allein im Raum, sang sie. Und da ihr Repertoire ziemlich begrenzt war, kannte Robert schon nach kurzer Zeit alle Melodien und Texte auswendig. Allerdings war sie eine treue Seele, fleißig und ehrlich, putzte unermüdlich und machte eine Lasagne, die ihresgleichen suchte. Schon deshalb nahm Robert ihre Rede- und Sangeskunst in Kauf. Gegen sechzehn Uhr verabschiedete sie sich normalerweise wieder, und Robert musste jedes Mal grinsen, wenn er sah, wie ihr mächtiges Hinterteil auf dem Fahrradsattel davonwogte.
Er stellte sich hin und wieder vor, wie es wohl wäre, eine Frau vierundzwanzig Stunden am Tag um sich zu haben. Der Gedanke machte ihm Angst. Es musste wohl schon die ganz große Liebe sein.
Er ließ heißes Wasser in das alte Marmorwaschbecken ein, griff nach dem Porzellantopf mit der Rasierseife und begann mit ruhigen Pinselbewegungen, angenehm duftenden Schaum zu erzeugen.
Ob man merkt, dass man älter wird, wenn man feststellt, dass man beginnt, Rituale zu lieben , fragte er sich, als er sein Kinn mit dem feinen Schaum einseifte. In Baltimore hätte er diese etwas umständliche Form der Rasur gründlich abgelehnt. Hier in der Toskana war das etwas anderes. Es passte einfach zu diesem Leben.
Die Schritte auf dem Kies vor dem Haus waren zwar leise, aber Robert verfügte über ein sehr gutes Gehör. Er ließ den Rasierer sinken und horchte. Er fragte sich gerade, ob er sich getäuscht hatte, aber da war wieder ein Geräusch. Diesmal an der Tür. Als ob jemand vorsichtig auf die Klinke drückte. Er griff nach einem Handtuch und wischte sich den restlichen Schaum aus dem Gesicht.
Leise verließ er das Bad, ging hinaus in den Flur, blieb stehen und horchte angestrengt. Da man von diesem Flur aus zur Galerie gelangte, von der die Treppe hinunter zur Halle führte, war deutlich zu hören, wie jemand die Eingangstür vorsichtig öffnete.
»Hallo, ist da jemand?« Seine Stimme hallte durch den Flur.
Unten war es ganz still. Es war eine friedliche Gegend hier, wenn auch hin und wieder von einem Einbruch berichtet wurde. Aber der geschah fast immer in leer stehenden Häusern von reichen Städtern, die nur an Wochenenden bewohnt waren.
Das ist ja wohl doch etwas dreist , dachte Robert und eilte zur Treppe.
Bereits nach der vierten Stufe blieb er stehen.
Der kleine Junge, der in der Eingangshalle stand, schaute mindestens genauso erschrocken wie Robert.
»Roberto! Warum schleichst du dich so herein wie ein Dieb in der Nacht?«
Der Junge, der krampfhaft zwei Gläser mit Blechdeckeln in den Händen hielt, schaute schuldbewusst. »Feigenmarmelade«, stammelte er. »Meine Mamma hat Feigenmarmelade gemacht. Und da hat sie gesagt, ich soll Ihnen zwei Gläser bringen.«
Es war nichts Außergewöhnliches, dass Signora Montovani Robert Eingemachtes oder Gebackenes zukommen ließ. Seitdem er ihren Sohn wiedergefunden hatte, hatte sich das zu einer Art permanenter Danksagung entwickelt.
»Dankeschön«, sagte Robert, »aber warum hast du nicht geklingelt?«
»Meine Mamma sagt, Sie müssen viel nachdenken, und da wollte ich nicht stören.«
Robert blieb auf der letzten Stufe der Treppe stehen. »Du störst nie. Du kannst mich jederzeit besuchen.«
Der Junge lachte verschämt und war in der nächsten Sekunde hinter der Tür verschwunden.
*
Robert streckte sich und ging ein paar Schritte an den Rand des Weges, von dem aus sich die Ebene sanft hinunterzog. Man konnte eben noch den Verlauf der Landstraße erkennen. Gerade fuhr ein Fiat älterer Bauart den Hügel bergan. Dass die Kotflügel bereits vom Rostfraß befallen waren, konnte man aus der Entfernung nicht erkennen.
*
Den Vormittag vertrödelte Robert vorsätzlich, frühstückte lange und las, wie üblich, zwei Zeitungen. Il Firenze , weil er über lokales Geschehen informiert sein wollte, und die Baltimore Sun mit ein paar Tagen Verspätung, weil er mit einer Winzigkeit seines Herzens immer noch an seiner alten Heimat hing.
Er schaute auf die Uhr. Kurz vor elf. Gleich würde Catarina kommen. Ein guter Zeitpunkt, nach Florenz zu fahren und sich einen neuen Anzug zu kaufen. Einen, der einem Abendessen mit Francesca Sacconi angemessen war.
*
Der Mann im schwarzen Anzug zog die Mundwinkel nach unten. »Habt ihr mich verstanden? Nur erschrecken! Ihm darf nichts
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