Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Tasse und führte sie zum Mund. Er zuckte zusammen, als er sich am heißen Kaffee die Lippe verbrannte. Als wäre er erst jetzt aufgewacht und zu der Erkenntnis gelangt, dass er tatsächlich wach und das Ganze kein Alptraum war.
»Wie geht es dir?«, fragte Lycke bedrückt. »Ich meine, was um alles in der Welt ist denn bloß passiert?« Sie arbeiteten seit vier Jahren zusammen, aber diesen Gesichtsausdruck hatte sie noch nie an ihm gesehen.
»Um ehrlich zu sein, beschissen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll … Als ich gestern Abend nach Hause kam, fand ich eine … eine … jemand hatte … im Wohnzimmer lag eine tote Frau auf dem Fußboden.«
»Mein Gott«, sagte Lycke. »Wie ist sie denn in dein Haus gekommen? Kanntest du die Frau?«
»Nein, nein. Keine Ahnung, wer sie ist. Sie lag da in einem Kreis aus brennenden Grablichtern. Man hat sofort gesehen, dass sie tot war, denn ihre Haut war ganz blass, und im Gesicht war sie schwer verletzt, es war dunkel und nicht leicht zu erkennen, aber rings um ihren Kopf war der Fußboden voller Blut. Ich weiß nicht, wie sie dort hingeraten ist, aber die Polizei hat die halbe Nacht mit mir und Kristian gesprochen.«
»Kristian?«
»Kristian Wester, unser Betriebsarzt. Er wird übrigens auch kommen und über Gesundheit und Prävention sprechen.« Asko blickte auf seine Armbanduhr. »In fünf Minuten. Gestern kam er bei mir vorbei, weil er sowieso gerade eine Joggingrunde gelaufen ist. Deshalb war er dabei, als ich sie fand. Gott sei Dank! Hinterher durfte ich nicht mehr ins Haus. Ich durfte mir nicht einmal etwas zum Anziehen holen.«
»Auch nicht aus deiner Göteborger Wohnung?«
Asko schüttelte den Kopf. »Noch dauert die kriminaltechnische Untersuchung an, und meine Wohnung will sich die Polizei auch erst ansehen, bevor ich wieder hinein kann. Ich musste mir frische Wäsche von Kristian leihen und hab hier im Maritime übernachtet. Nicht, dass ich viel geschlafen hätte. Ich komme mir vor wie in einem schlechten Film.«
Asko redete ungewöhnlich schnell. Normalerweise sprach er langsam und wählte jedes Wort mit Bedacht. Als er eine ausladende Geste machte, hätte er beinahe das Frühstücksgeschirr vom Tisch gefegt.
»Was sagt Marianne dazu?«, fragte Lycke.
»Sie ist zum Glück verreist«, antwortete Asko.
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, erwiderte Lycke.»Kann ich dir irgendwie helfen? Du kannst gern bei uns schlafen.«
»Danke, das ist nett von dir, aber ich bleibe heute Nacht im Hotel. Ich weiß nur nicht, wie ich damit umgehen soll.«
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als Kristian Wester sich an die versammelten Hotelgäste wandte.
»So, alle zusammen, darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten? Die meisten waren wohl schon zum Gesundheitscheck bei uns, aber für diejenigen, die mich noch nicht kennen: Ich heiße Kristian Wester, bin als Arzt tätig und Eigentümer des Santé-Health-Institute, des Gesundheitsinstituts in eurer Firma. Im Laufe des Tages werde ich euch noch mehr über uns erzählen, aber zunächst einmal stellen wir uns alle für eine einfache Entspannungsübung auf.« Er nickte seinem braungebrannten Assistenten zu, und kurz darauf tönte Musik aus den Lautsprechern.
Lycke betrachtete ihre Kollegen, die den Anweisungen folgten und die Schultern schüttelten. Sie selbst saß immer noch Asko gegenüber, der sich, seinem Blick nach zu urteilen, ganz weit weg befand.
Karin überlegte, ob sie Robban anrufen sollte, aber es war Samstag, und er brauchte auch Zeit für seine Familie. Sie musste sich mit Folke begnügen. Während sie seine Nummer wählte, hoffte sie inständig, dass er einen seiner besseren Tage hatte.
Nun war Folke immerhin so nett gewesen, bei der Dienststelle der Polizei vorbeizufahren und den Bericht aus dem Rosenlund abzuholen, bevor er hinaus zu Karin nach Marstrand kam. Ursprünglich hatte sie nach Göteborg fahren wollen, aber nachdem Folke sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sie sich den neuesten Verbrechensschauplatz noch mal gemeinsam ansehen sollten,hatte sie ihre Pläne geändert. Außerdem war es angenehm, nicht nach Göteborg raus zu müssen.
»So wohnst du also«, sagte Folke, während er an Bord kam. Interessiert und gewissenhaft wie immer sah er sich auf der
Andante
um. Zeigte auf die Instrumente und stellte Fragen.
Karin ließ ihn gewähren und ging währenddessen den Bericht durch, den die Kollegen von der Bereitschaft verfasst hatten. KG, der Bulldozer, hatte nicht mehr in
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