Die Tote im Badehaus
seines bohrenden Blickes und seiner Hand auf meinem Paß verstand ich das durchaus.
Hugh Glendinnnig trat ein und warf mir einen durchdringenden Blick zu. Es war unmöglich zu sagen, ob die Aussicht, mich als Dolmetscherin zu haben, ihn beunruhigte oder erleichterte. Das Ganze hätte beinahe Spaß machen können, wenn die Lage nicht so düster gewesen wäre.
»Ihre Aufenthaltserlaubnis und Ihr Paß sind in Ordnung. Ich sehe, Sie sind Rechtsanwalt.« Okuhara klang fast respektvoll.
»Bei Sendai. Wie gefällt Ihnen unser Mini-Kassettenrecorder?« fragte Hugh, und ich übersetzte folgsam.
»Wie?« Captain Okuhara zwinkerte ein paarmal.
»Ihr Recorder.« Hugh tippte auf den kleinen schwarzen Apparat. »Ich hoffe, das Mikrophon ist stark genug für Sie. Um ehrlich zu sein, wir hatten ein paar Beschwerden und überarbeiten das Modell.«
»Es ist in Ordnung«, sagte der Polizist schroff. »Wann haben Sie Mrs. Nakamura zum letzten Mal gesehen?«
»Um was für eine Art von Ermittlung handelt es sich?« Hugh hatte seinen Terminplaner und einen Stift gezückt und machte sich Notizen. »Wegen meiner Verbindung zu Sendai ist Mr. Nakamura praktisch mein Mandant. Ich muß wissen, welchen Status diese Ermittlung hat.«
»Ich muß den Engländer daran erinnern, daß er hier befragt wird, nicht sein Mandant.« Der Polizeichef zog übertrieben die Mundwinkel nach unten, als fände er das Wort lächerlich.
»Ich bin kein Engländer. Ich bin Schotte.« Hughs Gesichtsausdruck blieb freundlich, aber ich spürte den Ärger darunter. »Ich habe Mrs. Nakamura zum letzten Mal gestern abend gesehen, auf dem Weg ins Bad.«
»Sie haben mit ihr gebadet?« wollte Captain Okuhara wissen.
»Wo denken Sie hin. Darf ich Sie daran erinnern, daß sie mit meinem Kollegen verheiratet ist«, hielt Hugh ihm vor. »Ich habe sie gesehen, als sie den Flur entlanggegangen ist. Ich glaube, es war neun Uhr. Sie war im Bademantel und hatte eine Flasche Shampoo in der Hand, so daß ich angenommen habe, sie wollte ins Bad gehen.«
»Gab es noch weitere Zeugen?« fragte Okuhara.
Ich gab an, daß ich dabeigewesen war. Hugh blickte mich überrascht an. Was hatte er denn gedacht – daß ich ihn den Wölfen zum Fraß vorwerfen würde?
»Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Beziehung«, sagte der Captain und strich anzüglich über seinen Stift.
»Zu ihr? Wir haben uns erst beim Essen kennengelernt.« Hugh schoß mir nervöse Blicke zu.
»Nein, zu Mr. Nakamuras Frau!«
»Oh.« Sichtlich erleichtert atmete er aus. »Wir waren befreundet.« Okuhara zog die Augenbrauen hoch. So etwas war für die japanischen Mann-Frau-Normen absolut ungewöhnlich, aber Hugh, der sich dessen nicht bewußt war, fuhr nichtsdestotrotz fort. »Wir sind schon ewig befreundet, seit Mr. Nakamura sie damals gebeten hat, mir bei der Suche nach einem Innenarchitekten für meine Wohnung zu helfen.«
»Und als Ihre Wohnung dann eingerichtet war?«
»Dann hat sie sich um alles andere gekümmert, was ich noch brauchte. Mir ein Hausmädchen besorgt, ein Auto geleast … Lebensmittel bestellt … die unzähligen Dinge, die man in einer neuen Stadt lernen muß.«
»Sie sind wie lange hier, Mr. Glendinning?«
»Acht oder neun Monate.«
»Und wie oft haben Sie sich während dieser Zeit mit Mrs. Nakamura getroffen?«
Hugh zuckte die Achseln. »Oft. Ich habe nicht mitgezählt.«
»War der Ehemann bei Ihren Zusammentreffen dabei?« bohrte Okuhara weiter.
»Gelegentlich.«
»Haben Sie irgendeine Vorstellung, weshalb sie mitten in der Nacht unbekleidet hinausgegangen sein könnte?«
Hugh überlegte. »Ich dachte eigentlich, sie hätte einen Streit mit ihrem Mann gehabt.«
Ich übersetzte das mit Meinungsverschiedenheit, weil es kein genaueres Wort gab. Doch da man im Japanischen eine Vielzahl von Sünden durch Euphemismen bezeichnet, ging Okuhara nur allzu gerne darauf ein. Stockend übersetzte ich seine Flut von Fragen über Setsuko Nakamuras Verhältnis zu ihrem Ehemann. Hugh verzog die Lippen zu einem dünnen Strich und spielte den Unwissenden.
Der Polizeichef schien nicht zufrieden. Er blickte Hugh immer wieder lange an, ohne etwas zu sagen, als wolle er ihn zu weiteren Enthüllungen drängen. Zu viel Zeit verging. Ich war froh, als Mrs. Yogetsu den Kopf durch die Tür steckte.
»Ein Anruf, vom Präsidenten der Firma Sendai«, sagte sie auf japanisch. Ich übersetzte, und Hugh nahm ohne Entschuldigung sofort Reißaus.
»Die andere Ausländerin, von der Sie mir erzählt
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