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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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war neun Tage, bevor wir Papa Meacham gefunden hatten, an Lungen-entzündung gestorben.«
    »Elf Tage«, sagte Patton.
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    »Neun«, sagte der Mann im Löwenjägerhelm.
    »Das alles ist schon sechs Jahre her, Andy. Behalt’s auf deine Wei‐
    se, mein Sohn! Wie kommst du darauf, daß es Guy Pope war?«
    »Wir haben ungefähr drei Unzen kleine Nuggets in Guys Hütte
    gefunden, zusammen mit ’nem bißchen Goldstaub. Auf Guys Claim
    gab’s nie was Größeres als Sandkörner. Papa aber hatte öfter Nuggets vorn Gewicht eines Pennys.«
    »Ja, so geht’s«, sagte Patton und lächelte mich unbestimmt an.
    »Ein Kerl übersieht immer was, nicht wahr. Egal, wie vorsichtig er ist.«
    »Polizistengeschwätz«, sagte Bill Chess verächtlich, zog seine Ho‐
    sen an und setzte sich abermals hin, um seine Schuhe und sein Hemd anzuziehen. Als er angezogen war, stand er auf, langte hinunter nach der Flasche, nahm einen langen Schluck und stellte die Flasche sorgsam auf die Planken. Er schüttelte seine behaarten
    Handgelenke gegen Patton.
    »Das ist das einzige, was euch Burschen dabei interessiert: Hand‐
    schellen anlegen, und der Fall ist erledigt.« sagte er mit wilder Stimme.
    Patton beachtete ihn nicht und ging hinüber zum Geländer und
    blickte hinunter: »Komische Stelle für eine Leiche. Die Strömung hier ist kaum der Rede wert. Und wenn, dann geht sie in Richtung
    Damm.«
    Bill Chess ließ die Arme fallen und sagte ruhig: »Sie hat’s selbst getan, Sie zusammengeflickter Narr! Muriel war eine glänzende
    Schwimmerin. Sie ist untergetaucht und unter die Bretter ge‐
    schwommen. Dann hat sie Wasser geschluckt. Das mußte sie, weil’s
    anders nicht ging.«
    »Ganz so würde ich das nicht sahen, Bill«, antwortete ihm Patton
    sanft. Seine Augen glänzten wie frischgewaschene Teller.
    Andy schüttelte den Kopf. Patton betrachtete ihn mit einem
    schlauen Grinsen. »Wo juckt’s denn diesmal, Andy?«
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    »Es waren doch neun Tage, das sage ich Ihnen. Ich hab’s gerade noch mal nachgerechnet«, sagte der Mann im Löwenjägerhelm verdrossen.
    Der Doktor warf die Arme hoch und ging, eine Hand gegen die
    Stirn gepreßt, zur Seite. Er hustete wiederum in sein Taschentuch.
    Und wiederum blickte er mit leidenschaftlicher Aufmerksamkeit in
    das Taschentuch.
    Patton winkte mich zu sich und spuckte über das Geländer. »Wir
    wollen uns jetzt diesem Fall zuwenden, Andy.«
    »Haben Sie jemals versucht, einen Körper sechs Fuß unter Wasser
    zu drücken?«
    »Nein, ich kann nicht behaupten, daß ich’s je versucht hätte, Andy.
    Spricht irgendwas dagegen, daß es mit einem Seil gemacht wurde?«
    Andy zuckte die Achseln. »Wenn’s mit einem Seil gemacht wor‐
    den wäre, müßte man’s an der Leiche bemerken. Wenn man sich
    später so deutlich verrät, was soll dann die ganze Mühe beim Ver‐
    stecken?«
    »Eine Frage der Zeit«, sagte Patton. »Der Kerl mußte seine Vorbe‐
    reitungen treffen.«
    Bill Chess blickte sie höhnisch an und griff erneut nach der Flasche. Während ich in ihre ernsten Gebirgsgesichter blickte, hätte ich
    nicht sagen können, was in ihnen vorging.
    Patton sagte beiläufig: »Da war doch von irgendeinem Zettel die Rede?«
    Bill Chess kramte in seiner Brieftasche und zog das gefaltete Stück
    aus liniertem Papier heraus. Patton nahm es und las es bedächtig.
    »Scheint kein Datum zu haben«, bemerkte er.
    Bill Chess schüttelte düster den Kopf. »Nein. Sie hat mich vor ei‐
    nem Monat verlassen. Am 12. Juli.«
    »Ist sie Ihnen nicht schon mal davon?«
    »Ja.« Bill Chess starrte ihn fest an.
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    »Als ich betrunken war und die Nacht bei ’ner Schnepfe geblieben
    bin. Kurz vor dem ersten Schnee, letzten Dezember. Sie blieb ’ne Woche weg und kam doll aufgedonnert zurück. Sie sagte, sie hätte
    für ’ne Weile weg müssen. Sie war bei einem Mädchen gewesen, mit
    dem sie in L. A. zusammengearbeitet hatte.«
    »Wie hieß die denn?« fragte Patton.
    »Sie hat’s mir nie erzählt, und ich hab sie nie danach gefragt. Was
    Muriel tat, war für mich in Ordnung.«
    »Aber ja doch. Hat sie damals auch ’nen Zettel hinterlassen?« frag‐
    te Patton sanft.
    »Nein.«
    »Dieser hier sieht schon ziemlich alt aus«, sagte Patton und hielt den Zettel hoch.
    »Ich trage ihn seit einem Monat mit mir herum«, knurrte Bill
    Chess. »Wer hat Ihnen denn erzählt, daß sie schon mal abgehauen war?«
    »Das hab ich vergessen«, sagte Patton. »Sie wissen ja, wie das hier
    ist. Die Leute sehen alles. Außer

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