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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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sich
    heraus, daß dieser Arm zu dem gehörte, was von Muriel Chess üb‐
    rig geblieben war. Das, glaube ich, ist schon alles.«
    »Wenn ich Doc Hollis richtig verstanden habe, muß sie schon lan‐
    ge im Wasser gelegen haben. Sie muß ganz schön verwest sein und
    so.«
    »Stimmt. Vielleicht war sie schon den ganzen Monat da unten. Die
    ganze Zeit, als er dachte, sie sei weg. Nichts spricht dafür, daß es anders war. Ihr Brief klingt nach Selbstmord.«
    »Bestehen darüber irgendwelche Zweifel, Mr. Marlowe?«
    Ich betrachtete sie von der Seite. Nachdenkliche dunkle Augen sa‐
    hen mich unter onduliertem braunem Haar an. Es begann sehr lang‐
    sam zu dämmern. Es war nicht viel mehr als ein winziger Wechsel

in der Art des Lichts.
    »Vermutlich hat die Polizei in solchen Fällen immer ihre Zweifel«,
    sagte ich.
    »Und Sie?«
    »Meine Meinung zählt hier nicht.«
    »Aber wenn sie zählte?«
    »Ich kenne Bill Chess nur von heute nachmittag«, sagte ich. »Er machte auf mich den Eindruck eines vorschnellen, unbeherrschten
    Menschen. Und selbst nach seinen eigenen Schilderungen ist er alles
    andere als ein Heiliger. Aber er scheint seine Frau sehr gern gehabt
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    zu haben. Und ich kann mir schwer vorstellen, daß er da oben einen
    Monat leben konnte, immer mit dem Bewußtsein, daß seine Frau im
    Wasser unter dem Pier verfault. Tag für Tag aus seiner Hütte ins Sonnenlicht treten, das schöne blaue Wasser sehen und sich gleich-zeitig vorstellen, was da im Wasser liegt und was damit passiert.
    Und wissen, daß er’s getan hat.«
    »Ich kann mir das auch nicht vorstellen«, sagte Birdie Keppel
    sanft. »Niemand kann sich so was vorstellen. Und doch wissen wir,
    daß so etwas schon geschehen ist und wieder geschehen kann. Sind
    Sie auf dem Grundstücksmarkt tätig, Mr. Marlowe?«
    »Nein.«
    »Womit beschäftigen Sie sich dann, wenn ich fragen darf?«
    »Das möchte ich lieber nicht sagen.«
    »Damit haben Sie’s fast schon gesagt«, sagte sie. »Aber davon ab‐
    gesehen hat Doc Hollis gehört, wie Sie Jim Patton Ihren vollen Na‐
    men nannten. Und wir haben ein Adreßbuch von L. A. in unserem
    Büro. Ich habe das niemandem gegenüber erwähnt.«
    »Nett von Ihnen.«
    »Um noch netter zu sein, werde ich’s auch weiter für mich behal‐
    ten, wenn Sie es wünschen.«
    »Und was kostet mich das?«
    »Nichts«, sagte sie, »gar nichts. Ich behaupte nicht, daß ich eine tolle Journalistin bin. Wir würden beispielsweise auch nichts druk-ken, was Jim Patton ärgern könnte. Jim ist das Salz der Erde. Aber der Fall wird sich aufklären, nicht wahr?«
    »Sie sollten keine falschen Schlüsse ziehen«, sagte ich. »Ich bin an
    Bill Chess nicht im geringsten interessiert!«
    »Und an Muriel Chess auch nicht?«
    »Warum sollte ich an ihr interessiert sein?«
    Sie drückte ihre Zigarette sorgfältig im Aschenbecher unter dem Armaturenbrett aus. »Halten Sie das, wie Sie wollen!« sagte sie.
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    »Aber es gibt da eine Kleinigkeit, über die Sie vielleicht gern nach‐
    denken wollen, wenn Sie sie nicht schon kennen. Ungefähr vor sechs
    Wochen war ein ausgekochter Bulle namens De Soto aus Los Ange‐
    les hier oben. Ein großer Flegel mit verdammt kläglichen Manieren.
    Wir konnten ihn nicht ausstehen und waren nicht besonders mit‐
    teilsam zu ihm. Ich meine, wir drei vom Banner. Er hatte ein Foto bei sich und suchte, wie er sagte, eine Frau, die Mildred Haviland hieß.
    Er suchte sie dienstlich. Es war ein gewöhnliches Foto; die Vergröße‐
    rung von einem Schnappschuß, kein Polizeifoto. Er sagte, daß er Informationen hätte, nach denen sie sich hier oben befände. Die Frau auf dem Foto sah Muriel Chess ziemlich stark ähnlich. Das Haar wirkte zwar rötlich, und sie hatte auch eine völlig andere Frisur, und die Augenbrauen waren bis auf schmale Halbmonde aus‐
    gezupft, und das verändert eine Frau erheblich. Trotzdem sah sie der Frau von Bill Chess sehr ähnlich.«
    Ich trommelte mit den Fingern gegen die Wagentür und sagte ei‐
    nen Moment später:
    »Was haben Sie ihm erzählt?«
    »Wir haben ihm überhaupt nichts erzählt. Erstens, weil wir nicht ganz sicher sein konnten; zweitens, weil uns seine Art nicht paßte; und drittens hätten wir, selbst wenn wir sicher gewesen wären und
    uns seine Manieren gefallen hätten, ihn wahrscheinlich trotzdem
    nicht auf sie losgelassen. Warum auch? Jeder hat mal was getan, was
    ihm später leid tut. Nehmen Sie mich zum Beispiel. Ich war verhei‐
    ratet – mit einem

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