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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Spritzen. Dann ging er weg und überließ es Condy, sie nach Haus zu schaffen. Wahrscheinlich hatte
    er ’nen anderen dringenden Fall. Also brachte Condy sie nach Hau‐
    se, wo sie die Sprechstundenhilfe aus Almores Praxis in Empfang nahm. Condy trug sie also die Treppe rauf, und die Schwester
    brachte sie ins Bett. Condy fuhr zurück zu seinem Roulette. Eigent‐
    lich hätte sie im Bett bleiben müssen, und doch ist sie in derselben Nacht aufgestanden und runter in die Garage spaziert und hat sich
    dort mit Kohlenmonoxyd den Rest gegeben. Wie finden Sie das?‹
    fragte mich Brownwell.
    Ich sagte: ›Das erste Mal, daß ich davon höre. Woher wissen Sie’s
    denn?‹
    Er sagte: ›Ich kenne dort einen Reporter bei dem Scheißblatt, das 135
    sie dort ihre Zeitung nennen. Es hat weder ’ne Untersuchung statt‐
    gefunden noch ’ne Autopsie. Falls sie irgendwelche Nachforschun‐

gen angestellt haben sollten, haben sie jedenfalls nichts davon er-zählt. Es gibt da sowieso keinen ordentlichen Coroner. Die Beerdi-gungsunternehmer wechseln sich von Woche zu Woche in der offi‐
    ziellen Leichenschau ab. Und die mucken natürlich gegenüber einer
    politischen Gang in der Stadt kaum auf. Nichts ist leichter, als eine
    Sache in so ’ner kleinen Stadt zu fingern, wenn jemand mit genü‐
    gend Einfluß seine Finger drin hat. Und Condy war damals wer. Er
    wollte keine Publicity durch eine öffentliche Untersuchung, und der
    Doktor genausowenige.‹
    Miss Fromsett machte eine Pause und wartete, daß ich etwas sag‐
    te. Als ich nichts sagte, fuhr sie fort: »Sie können sich vorstellen, was Brownwell damit sagen wollte.«
    »Na klar. Almore hat sie erledigt und dann hat er mit Condy die
    Sache schnell begraben. So was soll schon in saubereren kleinen Städten vorgekommen sein, als Bay City je eine sein wollte. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte?«
    »Nein. Es scheint so, daß ihre Eltern einen Privatdetektiv engagiert
    haben. Einen Mann, der dort unten bei einer Wach‐ und Schließge‐
    sellschaft beschäftigt war und der offensichtlich nach allem, was mir
    Brownwell erzählte, nach Chris als zweiter auf der Szene aufkreuz‐
    te. Er muß da irgendwas entdeckt haben, aber er hat es nie auswer‐
    ten können. Man hat ihn wegen Trunkenheit am Steuer festgenom‐
    men und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.«
    Ich sagte: »Ist das alles?«
    Sie nickte: »Und wenn Sie meinen, daß ich mich vielleicht zu genau erinnere – es gehört zu meinem Job, Gespräche genau zu behal‐
    ten.«
    »Ich denke eher, daß es uns nicht viel weiterhilft. Ich verstehe nicht, wieso Lavery in die Sache verwickelt sein soll, auch wenn er
    die Tote gefunden hat. Ihr redseliger Freund Brownwell scheint an‐
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    zunehmen, daß in der Sache eine Chance drinsteckte, den Doktor zu
    erpressen. Aber da müßten schon einige Beweise auf den Tisch, be‐
    sonders, wenn man jemand was anhängen will, der die gerichtliche
    Klärung schon hinter sich hat.«
    Miss Fromsett sagte: »Das glaube ich auch. Und mir war’s lieber,
    wenn Erpressung zu den Schweinereien zählte, die Chris Lavery
    ausgelassen hat. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Mr. Marlowe. Ich
    glaube, ich muß jetzt an meinen Schreibtisch zurück.«
    Sie stand auf. Ich sagte: »Wir sind noch nicht fertig. Ich muß Ihnen
    noch was zeigen.«
    Ich zog das kleine parfümierte Taschentuch, das unter Laverys
    Kissen gelegen hatte, aus der Tasche und beugte mich vor, um es vor ihr auf den Tisch fallen zu lassen.
    Sie blickte auf das Taschentuch, dann zu mir, nahm einen Bleistift
    und schob das kleine Tuch mit dessen Radiergummiende zur Seite.
    »Wonach riecht das?« fragte sie. »Nach Mottenkugeln?«
    »Ich dachte, es wäre ’ne Art Sandelholz.«
    »Billiges künstliches Zeug. Abstoßend ist noch milde ausgedrückt.
    Warum soll ich’s mir anschauen, Mr. Marlowe?« Sie lehnte sich zu‐
    rück und sah mich mit gleichgültig kühlen Augen an.
    »Ich hab’s im Haus von, Chris Lavery gefunden. Unter seinem
    Kopfkissen. Es hat eingestickte Anfangsbuchstaben.«
    Sie faltete es auseinander, ohne es zu berühren, indem sie wieder
    das Gummiende ihres Bleistifts benutzte. Ihr Gesicht wirkte jetzt ein
    wenig streng und angespannt.
    »Zwei Buchstaben sind eingestickt«, sagte sie kühl und ärgerlich zugleich. »Zufällig sind das auch meine Anfangsbuchstaben. Meinen Sie das?«
    »Genau das«, sagte ich. »Aber wahrscheinlich hat er ein halbes Dutzend Frauen mit den gleichen Anfangsbuchstaben

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