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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Mr. Kingsley?«
    Ich nickte.
    »Und natürlich auch die Polizei?«
    »Noch nicht. Wenigstens nicht von mir. Ich habe ihn gefunden.
    Die Haustür war nicht ganz zu. Ich ging hinein. Und fand ihn.«
    Sie griff nach dem Bleistift und stocherte abermals im Taschentuch
    herum. »Und weiß Mr. Kingsley was von dem duftenden Tuch da?«
    »Niemand weiß was davon. Außer Ihnen und mir. Und demjeni‐
    gen, der’s dahingesteckt hat.«
    »Reizend von Ihnen«, sagte sie trocken. »Ebenso reizend wie das,
    was Sie über mich gedacht haben.«
    »Sie haben eine gewisse Verschlossenheit und einen gewissen
    Stolz, und das gefällt mir«, sagte ich. »Aber übertreiben Sie’s nicht.
    Was hätte ich denn denken sollen? Hätte ich den Fetzen unter dem
    Kissen hervorziehen sollen, daran schnuppern, ihn angewidert von
    mir strecken und sagen: ›Schön, schön, da sind also die Anfangsbuchstaben von Miss Adrienne Fromsett und so weiter. Miss From‐
    sett scheint Lavery gekannt zu haben, wahrscheinlich sehr intim sogar. Wollen mal sagen, ins Unreine gesprochen, so intim, wie sich
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    das meine schmutzige Phantasie nur ausmalen kann. Und das wäre
    schon verdammt sehr intim. Aber da ist dieser billige künstliche Sandelholzgeruch. Und Miss Fromsett benutzt doch keinen billigen
    Duft. Und dann lag das doch unter Laverys Kissen, und Miss From‐
    sett steckt doch nie und nimmer ihre Taschentücher unter Männer‐
    kissen. Und deswegen hat das hier auch absolut nichts mit Miss Fromsett zu tun. Es ist die reine optische Täuschung.‹«
    »Ach, hören Sie auf«, sagte sie.
    Ich grinste.
    »Für was für eine Art von Mädchen halten Sie mich?« fuhr sie mich an.
    »Ich bin wohl zu spät dran, um das noch feststellen zu können.«
    Sie errötete, zart und diesmal über das ganze Gesicht. Dann: »Ha‐
    ben Sie eine Vermutung, wer’s war?«
    »Vermutungen schon, aber auch nicht mehr. Ich fürchte, die Poli‐
    zei wird es sich einfacher machen. Ein paar Kleider von Mrs. Kings‐
    ley hängen in Laverys Schrank. Und wenn sie die ganze Geschichte
    erfahren – einschließlich dessen, was gestern am Little Fawn Lake passiert ist –, werden sie, wie ich fürchte, nur noch ihre Handschel-len heraustun. Zuerst müssen sie sie finden. Aber das dürfte für sie
    nicht so schrecklich schwer sein.«
    »Crystal Kingsley«, sagte sie leer. »Nicht mal das konnte sie ihm ersparen.«
    Ich sagte: »Sie muß es nicht gewesen sein. Vielleicht hat ja alles auch ganz andere Motive. Von denen wir nicht das geringste wissen. Vielleicht war’s jemand wie Dr. Almore.«
    Sie sah rasch hoch und schüttelte den Kopf. »Es wäre doch möglich«, sagte ich hartnäckig. »Nichts spricht bisher dagegen. Er war gestern ganz schön nervös. Jedenfalls für einen Mann, der nichts zu
    fürchten hat. Aber natürlich sind es nicht immer nur die Schuldigen,
    die vor etwas Angst haben.«
    Ich stand auf und klopfte auf die Tischkante, während ich zu ihr 141
    hinuntersah. Sie hatte einen schönen Hals. Sie schaute auf das Taschentuch.
    »Und was ist damit?« fragte sie dumpf.
    »Wenn’s meins wäre, würde ich den billigen Geruch raus‐
    waschen.«
    »Aber vielleicht hat es was zu bedeuten, oder? Vielleicht sogar viel.« Ich lachte. »Ich glaube nicht, daß es irgendwas bedeutet. Frauen lassen dauernd ihre Taschentücher irgendwo herumliegen. Ein
    Kerl wie Lavery sammelt sie dann und steckt sie in eine Schublade,
    zusammen mit einem Duftbeutel von Sandelholz. Jemand entdeckt
    seine Kollektion und benutzt eins. Oder er gibt es ihr und freut sich,
    wenn sie auf die fremden Anfangsbuchstaben reagiert. Meiner Mei‐
    nung nach war er genau dieser Typ. Auf Wiedersehen, Miss From‐
    sett, und vielen Dank für die Unterhaltung.«
    Ich begann wegzugehen, blieb dann stehen und fragte sie: »Ken‐
    nen Sie den Namen des Reporters dort unten, der Brownwell das alles erzählt hat?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Oder den Namen von Mrs. Almores Eltern?«
    »Auch nicht. Aber das kann ich vielleicht für Sie rausfinden. Ich will’s gern versuchen.«
    »Wie?«
    »So was steht normalerweise in Todesanzeigen. Und es war sicher
    eine Todesanzeige in den Zeitungen von Los Angeles.«
    »Das wäre sehr nett von Ihnen«, sagte ich. Ich ließ meinen Finger
    die Schreibtischkante entlang gleiten und sah sie von der Seite an.
    Weiße Elfenbeinhaut, dunkle schöne Augen. Schimmerndes Haar,
    so schimmernd Haar nur sein kann. Dunkle Augen, so dunkel die Nacht nur sein kann.
    Ich ging durch das

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