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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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notierte
    etwas in sein Notizbuch und sah dann zum Vorderfenster hinaus, indem er eine Gardine zur Seite hielt.
    Der Polizist, der bei mir geblieben war, sagte: »Kann ich mir’s jetzt
    anschauen?«
    »Vergiß es, Eddie. Da ist für uns nichts drin. Hast du den Coroner
    angerufen?«
    »Ich dachte, das machen die von der Mordkommission.«
    »Ja, das stimmt. Captain Webber wird sich mit dem Fall befassen,
    und der will sowieso alles selber machen.« Er sah mich an und sag‐
    te: »Sie sind der Mensch, der Marlowe heißt?«
    Ich sagte, ich sei der Mensch, der Marlowe heißt.
    »Er ist ein kluges Kind. Weiß auf alles ’ne Antwort«, sagte Eddie.
    Der ältere sah zuerst mich und dann Eddie gleichgültig an, entdeck‐
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    te dann den Revolver auf dem Telefontisch und betrachtete ihn, ganz und gar nicht gleichgültig.
    »Ja, das ist die Mordwaffe«, sagte Eddie, »ich hab sie nicht angefaßt.«
    Der ältere nickte. »Die Mörder sind auch nicht mehr das, was sie
    mal waren. Was treiben Sie so, Mister? Waren Sie ’n Freund von dem?« Er zeigte mit dem Daumen nach unten.
    »Hab ihn gestern zum ersten Mal gesehen. Ich bin Privatdetektiv.
    Aus Los Angeles.«
    »Hoppla!« Er musterte mich scharf. Der andere sah mich mit tief‐
    stem Mißtrauen an.
    »Ach du grüne Neune! Also das wird hier noch einen schönen
    Scheiß geben«, sagte er.
    Es war seine erste vernünftige Bemerkung. Ich grinste ihm auf‐
    munternd zu.
    Der ältere Polizist sah wieder durch das Vorderfenster. »Das ist das Haus von Almore da drüben, Eddie«, sagte er.
    Eddie trat neben ihn und half ihm sehen. »Genau«, sagte er. »Man
    kann das Schild lesen. Sag mal, der Kerl da unten, ist das nicht der
    Kerl…«
    »Schnauze«, sagte der andere und ließ den Vorhang zufallen. Bei‐
    de drehten sich um und starrten mich kalt an.
    Ein Auto kam die Straße herunter und hielt, eine Wagentür wurde
    zugeschlagen, und man hörte mehrere Schritte den Weg herunter‐
    kommen. Der ältere Polizist vom Streifenwagen öffnete zwei Män‐
    nern in Zivil die Tür. Einen davon kannte ich bereits.
    Der als erster hereinkam, war für einen Bullen ziemlich klein, im mittleren Alter und hatte ein schmales, übermüdetes Gesicht. Er hatte eine scharfe Nase, die ein bißchen zur Seite gebogen war, so als hätte er beim Schnüffeln mal kräftig eins drauf bekommen. Seinen blauen speckigen Hut hatte er ziemlich gerade auf, darunter sah
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    man kreideweißes Haar. Er trug einen dunkelblauen Anzug, seine
    Hände steckten in den Seitentaschen der Jacke, die Daumen außen an der Taschennaht.
    Der Mann hinter ihm war Degarmo, der schwere Bulle mit den
    schmutzig blonden Haaren und den harten blauen Augen, der den
    wilden Mann markiert hatte, weil er es gar nicht leiden konnte, mich
    vor Dr. Almores Haus anzutreffen.
    Die beiden Uniformierten sahen den Kleineren an und tippten an
    ihre Mützen.
    »Die Leiche ist eine Treppe tiefer, Captain Webber. Zweimal getroffen, nachdem er ’n paarmal verfehlt wurde, scheint es. Schon ’ne
    Weile tot. Der hier heißt Marlowe. ’n Privater aus Los Angeles. Wei‐
    ter hab ich ihn nichts gefragt.«
    »In Ordnung«, sagte Webber scharf. Er hatte eine mißtrauische
    Stimme. Er sah mich mit einem kurzen mißtrauischen Blick an und
    nickte knapp. »Ich bin Captain Webber«, sagte er. »Und das ist Lieu‐
    tenant Degarmo. Schauen wir uns zunächst mal die Leiche an.«
    Er ging durchs Zimmer. Degarmo sah mich an, als hätte er mich noch nie gesehen, und folgte ihm. Sie gingen hinunter, der ältere Streifenpolizist mit ihnen. Der Polizist, der Eddie hieß, und ich betrachteten uns eine Weile gegenseitig.
    Ich sagte: »Hier sind wir genau gegenüber von Dr. Almores Haus,
    stimmt’s?«
    Sein Gesicht wurde vollkommen ausdruckslos. Was nicht heißt,
    daß es vorher ausdrucksvoll gewesen wäre. »Stimmt. Und was wei‐
    ter?«
    »Nichts weiter«, sagte ich.
    Er schwieg. Von unten hörte man Stimmen, verschwommen und
    unverständlich. Der Polizist spitzte die Ohren und sagte etwas
    freundlicher: »Sie erinnern sich an den Fall?«
    »Schwach.«
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    Er lachte: »Den haben sie hübsch verpackt«, sagte er. »Gut einge‐
    wickelt und ganz hinten ins Regal gelegt. Aufs oberste Regal im Abstellraum. Wo man nur rankommt, wenn man sich auf ’n Stuhl
    stellt.«
    »Genauso war’s«, sagte ich. »Möcht bloß wissen, warum?«
    Der Polizist sah mich ernst an. »Die hatten schon ihre Gründe, Mann. Das können Sie mir glauben. Haben Sie diesen Lavery gut

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