Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
gekannt?«
    »Nicht gut.«
    »Waren wohl hinter ihm her?«
    »Nicht direkt«, sagte ich. »Kannten Sie ihn?«
    Der Polizist, der Eddie hieß, schüttelte den Kopf. »Nee. Hab mich
    nur grade erinnert, daß es jemand aus diesem Haus hier war, der Almores Frau in der Nacht in der Garage gefunden hat.«
    »Vielleicht hat Lavery damals noch gar nicht hier gewohnt«, sagte
    ich.
    »Seit wann wohnt er denn hier?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    »Das war vor ungefähr eineinhalb Jahren«, sagte der Polizist
    nachdenklich. »Haben die Zeitungen von Los Angeles denn über‐
    haupt davon Notiz genommen?«
    »’ne kleine Notiz auf der Seite über die nähere Umgebung«, sagte
    ich, nur um überhaupt was zu sagen.
    Er kratzte sich am Ohr und lauschte. Man hörte Schritte die Trep‐
    pe heraufkommen. Das Gesicht des Polizisten straffte sich, er entfernte sich von mir und richtete sich auf.
    Captain Webber stürzte zum Telefon, wählte und sprach, nahm
    den Hörer zur Seite und sah über die Schulter zurück.
    »Wer ist denn diese Woche als Coroner dran, AI?«
    »Ed Garland«, sagte der Lieutenant steif.
    »Rufen Sie Ed Garland«, sagte Webber ins Telefon. »Er soll sofort
    148
    rüberkommen. Und die Fotografen soll er gleich mitbringen.«
    Er legte den Hörer auf und fragte mit bellender Stimme: »Wer hat
    den Revolver angefaßt?«
    Ich sagte: »Ich.«
    Er kam zu mir herüber, wippte vor mir auf seinen Absätzen hin und her und stieß sein kleines scharfkantiges Kinn zu mir hoch. Die
    Pistole hielt er vorsichtig auf einem Taschentuch in der Hand.
    »Haben Sie denn noch immer nicht gelernt, daß man ’ne Waffe am
    Tatort nicht anfassen darf?«
    »Aber gewiß doch«, sagte ich. »Aber als ich sie angefaßt habe, hat‐
    te ich keinen Schimmer, daß das hier ein Tatort ist. Ich wußte nicht,
    daß man damit jemand umgebracht hatte. Die Waffe lag auf der
    Treppe. Ich dachte, jemand hat sie da verloren.«
    »Klingt unheimlich wahrscheinlich«, sagte Webber sarkastisch.
    »Haben Sie bei Ihrem Job viel von der Sorte auf Lager?«
    »Was für ’ne Sorte und für ’n Lager?«
    Er ließ seinen harten Blick auf mir stehen, ohne mir zu antworten.
    Ich sagte: »Wie war’s, wenn ich Ihnen alles schön der Reihe nach
    erzählen würde. Wie sich’s abgespielt hat?«
    Er fuhr auf mich los wie ein Kampfhahn: »Ich gebe Ihnen den gu‐
    ten Rat, daß Sie meine Fragen haargenau so beantworten, wie ich sie
    Ihnen stelle.«
    Darauf erwiderte ich überhaupt nichts. Webber wirbelte plötzlich
    zur Seite und sagte zu den beiden uniformierten Männern: »Und ihr
    Jungs haut euch jetzt in euer Auto und schickt uns schnell die Un‐
    tersuchungsbeamten.«
    Sie grüßten, stiefelten hinaus und zogen behutsam die Tür zu, bis
    sie zu klemmen anfing. Dann wurden sie so grob wie andre Leute.
    Webber lauschte, bis ihr Wagen wegfuhr. Dann richtete er seinen unfreundlichen und kalten Blick wieder auf mich.
    »Zeigen Sie mir Ihre Papiere.«
    149
    Ich gab ihm meine Brieftasche, und er ackerte drin herum. Degar‐
    mo saß in einem Sessel, hatte seine Beine übereinandergeschlagen und starrte ausdruckslos die Decke an. Er fischte sich ein Streichholz
    aus der Tasche und begann darauf herumzukauen. Webber gab mir
    meine Brieftasche zurück. Ich steckte sie weg.
    »Leute von Ihrer Sorte machen einen Haufen Stunk«, sagte er.
    »Nicht unbedingt«, sagte ich.
    Er wurde lauter. Dabei war er schon vorher alles andere als leise gewesen.
    »Ich sage, daß sie ’nen Haufen Stunk machen. Und ich meine das
    auch so. Aber merken Sie sich eins: Hier in Bay City werden Sie kei‐
    nen Stunk machen.«
    Ich gab ihm keine Antwort. Er stieß seinen Zeigefinger in meine Richtung.
    »Sie kommen aus der Großstadt«, sagte er. »Und bilden sich ein, Sie sind weiß Gott wer. Und weiß Gott wie schlau. Keine Sorge, wir
    kriegen Sie klein. Wir sind ’n kleines Kaff hier, aber wir halten un‐
    heimlich zusammen. Hier bei uns gibt’s keinen Kleinkrieg unter der
    Decke. Hier gehn wir die Sachen direkt an. Und schnell. Also machen Sie sich bloß keine Sorgen um uns.«
    »Ich mach mir keine Sorgen«, sagte ich. »Ich habe auch keinen Grund dazu. Ich versuche mir nur ’n paar runde, glatte, saubere Dollar zu verdienen.«
    »Kommen Sie mir nicht mit dummen Sprüchen«, sagte Webber.
    »Das hab ich gar nicht gern.«
    Degarmo holte seinen Blick von der Decke, krümmte seinen Zeige‐
    finger und betrachtete dessen Nagel. Er sprach langsam und ge‐
    langweilt.
    »Hören Sie, Chef, der

Weitere Kostenlose Bücher