Die Tote im See
Kerl da unten heißt Lavery. Jetzt ist er tot.
Ich hab ihn flüchtig gekannt. Er war hinter den Weibern her.«
»Und was soll das jetzt?« bellte Webber, ohne von mir wegzusehen.
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»Alles deutet auf ’ne Dame hin«, sagte Degarmo. »Und Sie wissen
doch, womit sich diese Privaten über Wasser halten. Scheidungs‐
kram. Vielleicht geht er uns ja zur Hand, wenn wir ihn nicht so er‐
schrecken, daß er uns verblödet.«
»Falls ich ihn verschreckt haben sollte«, sagte Webber, »lassen Sie
mich’s rechtzeitig wissen. Oder merken Sie, daß er vor Angst zittert?«
Er ging hinüber zum Vorderfenster und zog die Gardinen auf. Das
plötzlich einfallende Licht blendete fast, nachdem es so lange dunkel gewesen war. Er kam, auf seinen Absätzen wippend, zurück und
zeigte mit seinem dünnen knochigen Finger auf mich.
»Reden Sie.«
Ich sagte: »Ich arbeite hier für einen Geschäftsmann in Los Ange‐
les, der nicht viel Publicity gebrauchen kann. Deshalb hat er mich engagiert. Vor einem Monat ist ihm seine Frau davongelaufen. Spä‐
ter erhielt er ein Telegramm, das besagte, sie sei mit Lavery zusam‐
men fort. Aber mein Auftraggeber hat Lavery vor ein paar Tagen in
der Stadt getroffen, und der bestritt die Geschichte. Mein Auftraggeber glaubte ihm so ziemlich und wurde unruhig. Wie es scheint, ist die Dame nämlich ziemlich leichtsinnig. Sie könnte also in schlechte Gesellschaft geraten sein und in Schwierigkeiten stecken.
Ich habe Lavery also besucht, und er bestritt, mit ihr abgehaun zu sein. Ich hab ihm das halb geglaubt, aber später entdeckte ich einen
sicheren Beweis dafür, daß er mit ihr in San Bernardino im gleichen
Hotel war. Und zwar in der gleichen Nacht, in der sie ihr Ferienhaus
in den Bergen wahrscheinlich verlassen hat. Dort war sie nämlich vorher. Mit diesen neuen Erkenntnissen in der Tasche wollte ich mir
Lavery noch mal vorknöpfen. Als ich klingelte, rührte sich nichts.
Aber die Tür war nur angelehnt. Ich trat ein, sah mich ein wenig um
und fand den Revolver. Danach durchsuchte ich das Haus. Ich fand
ihn. Genau wie er jetzt noch daliegt.«
»Sie hatten kein Recht, das Haus zu durchsuchen«, sagte Webber
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kalt.
»Sicher nicht«, gab ich zu. »Aber ich konnte mir eine solche Chan‐
ce doch schlecht entgehen lassen.«
»Der Name des Mannes, für den Sie arbeiten?«
»Kingsley.« Ich gab ihm die Adresse von Beverly Hills. »Er leitet ein Kosmetik‐Unternehmen im Treloar Building an der Olive Street.
Die Gillerlain Company.«
Webber sah zu Degarmo. Degarmo notierte träge etwas auf einen
Briefumschlag. Webber sah zurück zu mir und sagte: »Und weiter?«
»Ich fuhr hinauf zur Berghütte, wo die Dame sich zuletzt aufgehal‐
ten hatte. Der kleine Ort heißt Little Fawn Lake und liegt in der Nä‐
he von Puma Point, sechsundvierzig Meilen rief in den Bergen von
San Bernardino.«
Ich sah zu Degarmo. Er schrieb langsam. Seine Hand hielt einen Moment inne und schien steif in der Luft zu hängen, fiel dann zu-rück auf den Umschlag und schrieb weiter. Ich fuhr fort.
»Ungefähr vor einem Monat hatte die Frau von Kingsleys Haus‐
verwalter da oben Streit mit ihrem Mann und hat ihn verlassen. Je‐
denfalls dachte man das. Gestern hat man sie ertrunken im See ge‐
funden.«
Webber schloß fast die Augen und wippte auf seinen Absätzen.
Beinahe sanft fragte er: »Warum erzählen Sie mir das? Wollen Sie damit sagen, daß da ein Zusammenhang besteht?«
»Zumindest ein zeitlicher Zusammenhang. Lavery ist außerdem
oben gewesen. Von einem anderen Zusammenhang weiß ich nichts.
Aber ich dachte, ich sollte es wenigstens erwähnen.«
Degarmo saß ganz ruhig da und sah vor sich hin auf den Boden.
Sein Gesicht wirkte gepreßt und noch wilder als sonst. Webber sag‐
te: »Die Frau, die da ertrunken ist… war das Selbstmord?«
»Selbstmord oder Mord. Sie hat ’nen Abschiedsbrief hinterlassen.
Aber ihr Mann ist unter Mordverdacht festgenommen worden. Sein
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Name ist Chess. Bill, und Muriel Chess heißt seine Frau.«
»Ich will nichts davon hören«, sagte Webber scharf. »Beschränken
wir uns auf das, was hier vorgegangen ist.«
»Hier ist gar nichts vorgegangen«, sagte ich, während ich Degar-mo ansah. »Ich bin zum zweiten Mal hier. Das erste Mal hab ich mit
Lavery gesprochen, und es ist nichts dabei herausgekommen. Das
zweite Mal hab ich nicht mit ihm gesprochen, und es ist auch nichts
dabei rausgekommen.«
Webber sagte langsam: »Ich
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