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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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tiefen Polstersessel. Er deutete mit der Hand auf mich.
    »Okay. Kümmern Sie sich um sie. Ich könnte von den Jungs hier in
    L. A. jede Hilfe haben, aber bis ich denen das alles erklärt hätte, war
    ’ne Woche rum.«
    Ich sagte: »Miss Fromsett, wenn Sie wissen, wo er ist oder wo er hin wollte, bitte, sagen Sie es uns. Sie verstehen doch, daß wir ihn finden müssen.«
    Sie sagte ruhig: »Warum?«
    Degarmo lehnte seinen Kopf zurück und lachte. »Das Kind ist in Ordnung«, sagte er. »Vielleicht meint sie, wir sollten’s ihm verheim-lichen, daß seine Frau umgelegt wurde.«
    »Sie ist mehr in Ordnung als Sie denken«, sagte ich ihm. Sein Ge‐
    sicht wurde ernst, und er biß sich auf den Daumen. Dann musterte
    er sie mit einem unverschämten Blick von oben bis unten.
    Sie sagte: »Geht es nur darum, daß man’s ihm sagen muß?«
    Ich zog den gelbgrünen Schal aus meiner Tasche, schüttelte ihn auseinander und hielt ihn ihr entgegen.
    »Das hat man in der Wohnung gefunden, wo sie ermordet wurde.
    Ich glaube, Sie haben ihn schon mal gesehen.«
    Sie sah den Schal an, sah mich an, und ihre beiden Blicke waren vollkommen ausdruckslos. Sie sagte:
    »Sie verlangen eine ganze Menge Vertrauen, Mr. Marlowe. Wenn
    man bedenkt, daß Sie, nach allem, was passiert ist, sich nicht mal als
    besonders tüchtiger Detektiv erwiesen haben.«
    »Ja, das verlange ich«, sagte ich. »Und ich erwarte, daß ich’s auch
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    bekomme. Und wie tüchtig oder untüchtig ich war, das können Sie
    wirklich nicht beurteilen.«
    »Das ist ja großartig«, warf Degarmo ein. »Ihr beide gebt eine gute
    Nummer ab. Fehlen nur noch die Akrobaten hinterher. Aber im
    Moment…«
    Sie fiel ihm ins Wort, als ob er überhaupt nicht vorhanden wäre.
    »Wie ist sie ermordet worden?«
    »Erwürgt, nackt ausgezogen und zerkratzt.«
    »Derry wäre dazu überhaupt nicht fähig«, sagte sie ruhig.
    Degarmo schmatzte mit den Lippen. »Niemand weiß, wozu je‐
    mand fähig ist, Schwester. Und niemand weiß das besser als ’n Poli‐
    zist.«
    Sie sah ihn immer noch nicht an. Im gleichen beherrschten Ton fragte sie: »Möchten Sie wissen, wohin wir gegangen sind, nachdem
    wir Ihre Wohnung verlassen hatten? Und ob er mich nach Haus
    gebracht hat? Wollen Sie das wissen?«
    »Ja.«
    »Wollen Sie es deshalb wissen, weil er in diesem Fall nicht die Zeit
    gehabt hätte, zur Küste zu fahren und sie umzubringen?«
    Ich sagte: »Ja, auch deswegen.«
    »Er hat mich nicht nach Hause gebracht«, sagte sie langsam. »Ich
    habe mir am Hollywood Boulevard ein Taxi genommen. Keine fünf
    Minuten, nachdem wir von Ihnen weggegangen sind. Ich hab ihn
    danach nicht mehr gesehen. Ich nahm an, daß er nach Hause gefah‐
    ren wäre.«
    Degarmo sagte: »Normalerweise versucht eine Mieze ihrem Kerl
    ein bißchen ein besseres Alibi zu verschaffen. Aber es gibt eben sol‐
    che und solche, stimmt’s?«
    Miss Fromsett sagte zu mir gewandt: »Er wollte mich nach Hause
    bringen, aber es wäre für ihn ein großer Umweg gewesen, und wir
    waren beide sehr müde. Ich habe Ihnen das erzählt, weil ich weiß, 236
    daß es letzten Endes nicht darauf ankommt. Wenn ich das nicht glaubte, hätte ich Ihnen nichts erzählt.«
    »Also hätte er genug Zeit gehabt«, sagte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wieviel
    Zeit nötig war. Ich weiß nicht, woher er hätte wissen sollen, wohin
    er zu gehen hatte. Von mir nicht. Und von ihr durch mich auch nicht. Sie hat mir nichts erzählt.« Ihre dunklen Augen blickten for-schend und fragend in meine Augen. »Sieht so das Vertrauen aus, das Sie von mir verlangen?«
    Ich faltete den Schal zusammen und steckte ihn in die Tasche zu‐
    rück. »Wir wollen wissen, wo er jetzt ist.«
    »Ich kann es Ihnen nicht sagen, weil ich es nicht weiß.« Ihre Augen
    waren dem Schal bis in die Tasche gefolgt. Dort blieben sie stehen.
    »Sie haben gesagt, daß Sie niedergeschlagen wurden. Heißt das be‐
    wußtlos geschlagen?«
    »Ja. Durch jemand, der sich hinter einem Vorhang versteckt hielt.
    Man fällt immer wieder drauf rein. Sie hatte einen Revolver auf mich gerichtet, und ich war damit beschäftigt, ihr ihn aus der Hand
    zu winden. Es steht außer Zweifel, daß sie Lavery erschossen hat.«
    Degarmo stand plötzlich auf. »Das ist eine prächtige Szene, Kum‐
    pel«, brummte er. »Aber sie führt zu nichts. Los, hauen wir ab.«
    Ich sagte: »Einen Augenblick. Ich bin noch nicht fertig. Ange‐
    nommen, es beschäftigt ihn etwas,

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