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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Miss Fromsett, und zwar etwas,
    was ihm sehr nahe geht. So sah er jedenfalls heute abend aus. Ange‐
    nommen, er weiß mehr von der Sache, als wir ahnen konnten. Oder
    als ich ahnen konnte. Und er wußte, daß sich die Dinge zuspitzen mußten. Würde er dann nicht irgendwohin gehen wollen, wo er
    Ruhe hat, um sich darüber klar zu werden, was zu tun sei. Wäre das
    nicht eine Möglichkeit?«
    Ich schwieg und wartete, während ich seitlich Degarmos Unge‐
    duld registrierte. Nach einer Weile sagte das Mädchen tonlos: »Er würde nicht weglaufen und sich verstecken wollen, weil es nichts 237
    gibt, wovor er davonlaufen und sich verstecken müßte. Aber vielleicht wollte er Zeit zum Nachdenken haben.«
    »An einem fremden Ort, in einem Hotel«, sagte ich und dachte an
    die Geschichte, die man mir im Granada Building erzählt hatte.
    »Oder an einem noch ruhigeren Ort?«
    Ich sah mich nach einem Telefon um.
    »Es ist in meinem Schlafzimmer«, sagte Miss Fromsett, die sofort wußte, was ich suchte.
    Ich ging durchs Zimmer und durch die Tür. Degarmo folgte mir.
    Das Schlafzimmer war in Elfenbein und Rosa gehalten. Ein großes Bett ohne Fußbrett stand da, darauf ein Kissen, das die Einbuchtung
    eines Kopfes zeigte. Toilettenartikel glitzerten auf einem eingebauten Toilettentisch, über dem eingerahmte Spiegel hingen. Durch eine
    offene Tür sah man maulbeergrüne Badezimmerkacheln. Das Tele‐
    fon stand auf einem Nachtschränkchen neben dem Bett.
    Ich setzte mich auf die Bettkante, berührte leicht die Stelle, wo Miss Fromsetts Kopf gelegen hatte, hob den Hörer ab und wählte die Fernvermittlung. Als sich die Vermittlung meldete, verlangte ich
    Sheriff Jim Patton in Puma Point, dringend und mit persönlicher Voranmeldung. Ich legte den Hörer auf die Gabel und zündete mir
    eine Zigarette an. Degarmo blickte finster zu mir herunter. Er stand
    breitbeinig da, angespannt und wachsam und bereit, augenblicklich
    unangenehm zu werden. »Und was soll das?« knurrte er.
    »Abwarten, dann werden Sie’s schon sehen.«
    »Wessen Spiel wird hier eigentlich gespielt?«
    »Wenn Sie mich schon fragen – meins. Es sei denn, wir lassen die
    Polizei von Los Angeles mitspielen.«
    Er riß sich ein Streichholz mit dem Daumennagel an, beobachtete,
    wie es brannte, und versuchte es mit einem langen gleichmäßigen Atemzug auszublasen. Die Flamme bog sich nur zur Seite. Er warf das Streichholz weg, steckte sich ein neues zwischen die Zähne und
    kaute darauf herum. In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
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    »Ihr Gespräch nach Puma Point.«
    Pattons verschlafene Stimme kam aus dem Hörer. »Ja. Hier spricht
    Patton in Puma Point.«
    »Hier spricht Marlowe in Los Angeles«, sagte ich. »Erinnern Sie sich?«
    »Natürlich erinnere ich mich, mein Sohn. Obwohl ich erst zur
    Hälfte wach bin.«
    »Tun Sie mir einen Gefallen«, sagte ich. »Ich kann Sie nur darum
    bitten. Fahren Sie rüber zum Little Fawn Lake. Oder schicken Sie jemand rüber, um nachzusehen, ob Kingsley dort ist. Er soll Sie aber
    nicht sehen. Vielleicht können Sie sein Auto entdecken. Oder Licht im Haus. Und sehen Sie zu, daß er dort bleibt. Rufen Sie mich zu-rück, sobald Sie’s wissen. Ich komme dann rauf. Können Sie das tun?«
    Patton sagte: »Ich hab keinen Grund, ihn aufzuhalten, wenn er
    weg möchte.«
    »Ich bin hier mit einem Polizeibeamten aus Bay City, der ihm ein
    paar Fragen über einen Mord stellen möchte. Nicht Ihr Mord, ein andrer.«
    Eine Weile herrschte eine dröhnende Stille in der Leitung. Patton sagte: »Das ist nicht bloß ’n fauler Trick, mein Sohn?«
    »Nein. Rufen Sie mich unter der Nummer Tunbridge 2722 zu‐
    rück.«
    »Das wird wahrscheinlich mindestens ’ne halbe Stunde dauern«,
    sagte er.
    Ich legte auf. Degarmo grinste jetzt. »Also hat Ihnen das Schätzchen hier ein Zeichen gegeben, und ich hab’s nur nicht mitge‐
    kriegt?«
    Ich stand vom Bett auf. »Nein. Ich versuche mich nur in seinen Kopf zu versetzen. Er ist kein kaltblütiger Killer. Was an Feuer in ihm gebrannt haben mag – jetzt dürfte es Asche sein. Ich hab mir 239
    überlegt, daß er vielleicht zu dem stillsten und abgelegensten Ort gehen würde, den er kennt, nur um mit sich ins reine zu kommen.
    In wenigen Stunden stellt er sich wahrscheinlich. Aber für Sie würde
    es besser aussehen, wenn Sie ihn zu fassen kriegen, bevor er das tut.«
    »Außer er jagt sich eine Kugel durch den Kopf«, sagte Degarmo kühl. »Kerle wie er tun so was nicht selten.«
    »Bevor

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