Die tote Schwester - Kriminalroman
Hauch von Spuren analysieren würden.
»Was ist mit ›Begleitung‹?«, fragte Tonia nun, ihren Kopf neugierig zu ihm wendend.
»Wenn du möchtest, können wir heute auf eine Vernissage im Museum Kunst Palast gehen. In Düsseldorf.«
Sie sah ihn irritiert an.
»Auf eine Ausstellung? Jetzt?«
»Es gibt Kirkeby«, nickte Zbigniew, als würde dies alles erklären. Dabei wusste er überhaupt nicht, wer Kirkeby war. Er fügte hinzu:
»Vor allem aber treffe ich dort die Tochter von dem Mann, der das Baby gerettet hat.«
Sie fuhren nach Köln zurück. Tonia hatte sich entschlossen, ihn auf die Vernissage zu begleiten. Zbigniew war ihr dankbar dafür, zum einen, weil er sich in der Welt der Vernissagegänger auch in Deutschland nicht wohler fühlen würde als in den USA , zum anderen, weil sie sich bislang als guter Recherchepartner erwiesen hatte.
Nein, er hatte sich noch nicht an Lenas Abwesenheit gewöhnt.
Statt über die schnellere Autobahn zu fahren, die einen großen Umweg bedeutet hätte, wählte Zbigniew die Landstraße, die am Stadtrand von Köln wieder in die endlose Venloer Straße überging. In Alt-Ehrenfeld, wo die Straße von vielen kleinen bunten Läden gesäumt war, wimmelte es noch von Menschen. Radfahrer quetschten sich an den viel zu schmal dimensionierten Radwegen zwischen Fußgängermassen und Autokolonne vorbei.
Feierabendverkehr.
Die Ampel an der Kirche, deren Namen Zbigniew nicht wusste, war rot. Er hatte noch nie erlebt, dass man sich ihr im grünen Zustand näherte.
Zbigniews Blick wanderte von der Kirche über die Sparkasse zu einem Einrichtungshaus, das sich rechter Hand befand. Tonia drehte ihren Kopf zu ihm, dachte, dass er sie anschauen würde. Er sah ihr kurz in die Augen, lächelte ihr zu.
Dann fiel sein Blick auf einen Kasten, der am Straßenrand stand.
Der Kasten der regionalen Boulevardzeitung, die in Köln an allen Büdchen und überall in der U-Bahn gelesen wurde. Um diese Zeit kam die Abendausgabe heraus.
Ein Gesicht, fast die halbe obere Seite der Zeitung füllend, starrte ihn an.
Zbigniew erschrak.
Es war Lena.
Zbigniew war aus dem Wagen herausgesprungen, hatte sechzig Cent in den Kasten gesteckt und eine Zeitung herausgerissen. Sie hatten ein altes Foto von Lena genommen, warum um alles in der Welt hatten sie ein altes Foto genommen, er hatte mindestens fünfhundert Fotos in New York gemacht und niemand hatte ihn danach gefragt, fünfhundert Fotos, von denen zweihundert Lenas aktuellstes Konterfei trugen, aber nein, sie hatten ein altes Foto genommen.
Ein Foto, auf dem Lena so aussah wie fünfzehn. Zbigniew las die schwarzen Lettern über dem Bild, groß gedruckt, der gesamte Artikel machte vielleicht ein Drittel der gesamten Vorderseite aus.
Entführte Mädchen, damit ließ sich immer Schlagzeile machen.
»Kölnerin am Flughafen verschleppt«, lautete die Überschrift. Unter dem Bild fand sich nur ein kurzer Text, der besagte, dass die achtzehnjährige Schülerin Lena nach einem Liebesurlaub in New York am Kölner Flughafen von Unbekannten in einen Wagen gezerrt wurde. Die Bildunterschrift wies auf eine Fortsetzung des Artikels auf Seite 17 hin.
Ein lautes Hupen auf der Straße.
Zbigniew musste nicht zur Ampel sehen, um zu begreifen, dass sie grün geworden war.
Er sprang in den Wagen, wurde dabei fast von einem Fahrrad überfahren, warf die Zeitung Tonia auf die Knie. Startete den Motor, würgte ihn in der Hast direkt wieder ab.
Ein Hupkonzert von hinten.
Ein wütend gestikulierender Fahrradfahrer von vorne.
Der Motor. Start. Der Wagen fuhr los.
Hinter ihm die Kolonne.
Zbigniew wollte anhalten, doch die Venloer Straße gab ihm keine Chance.
Er hörte, wie Tonia die Zeitung vorblätterte, auf der Suche nach Seite 17.
»Sie ist hübsch«, sagte sie seltsamerweise, während Zbigniew verzweifelt nach einem Parkplatz suchte.
Erst hinter der Inneren Kanalstraße, wo Ehrenfeld aufhörte und die Kölner Innenstadt begann, entdeckte er eine Lücke. Tonia las bereits den Artikel. Nachdem Zbigniew eingeparkt hatte, drehte sie ihm die Zeitung hin.
Ein weiteres Foto von Lena, nun frischeren Datums. Daneben ein Foto vom Ankunftsbereich des Flughafens, mit einigen eingezeichneten Pfeilen.
Und eine Vergrößerung aus der Aufnahme der Überwachungskamera.
Die dunkelhaarige Frau.
Tonia schlug einen fassungslosen Ton an, als sie die zweite Hälfte des Artikels vorlas.
»Hier steht: Freunde berichten, dass das bis vor Kurzem noch minderjährige Mädchen mit einem
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