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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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stutzte.
    Unter dem letzten Satz hatten einige Leser Kommentare abgegeben. Jeder Internetnutzer konnte sich bei der Tageszeitung eine Kennung zulegen und die Artikel beliebig kommentieren. Zbigniew klappte die sechs vorhandenen Kommentare auf.
    Der erste war eine reine Mitleidsbekundung mit dem Mädchen und den Angehörigen. Freundlich, aber vom Ton her so geschrieben, als ob schon klar sei, dass Lena tot ist.
    Der zweite bemängelte die stilistische Qualität des Artikels; der Autor habe aus einem Minimum an Informationen einen reißerisch aufgeblähten Text gemacht.
    Zbigniew bekam einen kurzen Schock, als er den dritten Kommentar las. Ein User namens »Pusteblume« äußerte, es sei ja wohl klar, dass der Polizist irgendwie in die Sache verwickelt sei. Ein Polizist, der mit einer Minderjährigen etwas anfing. Vermutlich wollte das unschuldige Mädchen nicht mehr, daraufhin habe er irgendetwas Böses mit ihr gemacht und würde nun vom Polizeiapparat gedeckt.
    Groll stieg in Zbigniew auf. Lena war nicht mehr minderjährig. Und dann die absurde Vorstellung, dass die Polizei einen Täter decken würde – es waren haltlose Verschwörungstheorien, die hier im Internet verbreitet wurden. Nur weil irgendjemand die Polizei hasste.
    Es kam noch schlimmer. Die nächsten drei Kommentare gingen auf die Theorie von »Pusteblume« ein und fügten noch weitere Argumente und Hinweise hinzu. Dass es ja nichts Neues sei, wenn die Polizei selbst Dreck am Stecken habe – wie man beispielsweise daran gesehen habe, dass die Kölner Beamten vor Jahren einen Mann in der Ausnüchterungszelle zu Tode geprügelt hatten.
    Was bis heute nicht bewiesen war, aber als großer Skandal in der Presse aufgebauscht worden war. Auch Zbigniew wusste nicht, was hier die Wahrheit war.
    Er war maßlos wütend. Mit dem Fall von damals in Verbindung gebracht zu werden, und überhaupt, Vorwürfe von anonymen Usern, die sich untereinander aufschaukelten. Wie konnte es sein, dass er hier – ohne seine Namensnennung, aber immerhin – auf der Seite einer Tageszeitung öffentlich diffamiert wurde?
    Stand irgendwo eine Rufnummer, könnte er anrufen und sich beschweren?
    Vermutlich fiel es unter freie Meinungsäußerung. Aber diese Form von freier Meinungsäußerung, ohne Hand und Fuß, aber dennoch auf einer seriösen Zeitungsseite, kam ihm eher bedenklich vor.
    Er hatte die Rufnummer des Verlags gefunden. Um diese Zeit würde bestimmt niemand mehr da sein. Oder?
    Was brachte es, dort anzurufen? Außerdem war er innerlich viel zu aufgebracht, um ernsthaft mit jemandem darüber sprechen zu können.
    Glücklicherweise klingelte es nun an der Tür. Er ging in den Flur, um zu öffnen. Bald stand Tonia vor ihm; sie war für ihre Verhältnisse erstaunlich sportiv angezogen. Zbigniew fragte sich, ob sie es bewusst getan hatte. Um von vornherein zu zeigen, dass sie nicht gekommen war, um Zbigniew zu verwirren.
    Oder seine Gegenwart fühlte sich für sie fast schon wie Familie an, daher brauchte sie sich nicht mehr schön zu machen.
    Aufzuhübschen.
    Es war nur ein Wort, es hatte nichts mehr mit Lena zu tun.
    Zbigniew lächelte, nahm Tonia die vier Bierflaschen ab, stellte zwei in den Kühlschrank, öffnete die beiden anderen. Sie stießen miteinander an.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte sie mit einem fast neckischen Grinsen.
    Zbigniew zuckte die Achseln. Tonia betrachtete den Bücherstapel auf dem Tisch. Sie nahm das oberste Buch, einen dicken Wälzer über Raubkunst, in die Hand.
    »Ich wollte heute Abend eigentlich noch einiges lesen«, erklärte Zbigniew. Seine Bemerkung kam ihm bereits beim Aussprechen dumm vor; er hatte sie angerufen, nicht sie ihn.
    Es musste ihr so vorkommen, als ob er sie zum Lesen hatte kommen lassen.
    »Soll ich dir helfen?«, fragte Tonia. »Wenn du willst, les ich mit.«
    Zbigniew lächelte unbeholfen.
    »Quatsch. Das brauchst du nicht«, sagte er.
    Seltsamerweise kam ihm ein Spruch seiner Mutter in den Sinn, den sie damals immer gemacht hatte, wenn er seinen jugendlichen Kopf zu lange in zu dicke Bücher gesteckt hatte. »Wer glaubt, den Schlüssel zum Leben in Büchern zu finden, der wird nie ein erfülltes Leben führen«, klangen ihre Worte in seinem Ohr.
    Er hatte nie die Absicht gehabt, den Schlüssel zum Leben zu finden.
    »Zbigniew«, sagte Tonia und nahm seine Hände. »Du glaubst, dass das alles hier mit der Entführung zu tun hat, und deshalb musst du das tun. Und deshalb gibt es jetzt auch nichts, was wichtiger

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