Die tote Schwester - Kriminalroman
Polizeiwache am Flughafen ein neonbeleuchtetes Kabuff aus Beton war. Einige Beamte liefen aufgeregt hin und her, die Leitung vor Ort hatte inzwischen ein glatzköpfiger, durchtrainierter Polizist in Zbigniews Alter, der Udo Göllmann hieß und alle Fäden fest in der Hand zu halten schien.
Nüchtern und professionell gab Göllmann seinen Kollegen Anweisungen, immer in Rücksprache mit der Einsatzleitstelle. Diese ersten Minuten waren von fundamentaler Bedeutung. Später würde eine Ermittlungskommission gebildet werden, dann würden vermutlich höhere Tiere als Göllmann übernehmen. Vermutlich die Kollegen vom KK 13 oder 14. Es würde nicht lange dauern.
Zbigniew fiel auf, dass Göllmann ihn ein paarmal merkwürdig ansah, in kurzen Momenten, während Telefonaten, während Besprechungen mit den Kollegen. Er wusste es nicht recht zu deuten. Bestand ein Verdacht gegen ihn?
Immerhin liefen die Informationen hier im Sekundentakt ein. Innerhalb kürzester Zeit wurden sämtliche Gepäckwagen aus dem betreffenden Ankunftsbereich überprüft, bald waren vier Wagen mit der Werbung der Schnellrestaurants sichergestellt. Ein Spurensicherungsteam war bereits im Anmarsch. Wenn jemand die Situation im Nachhinein analysiert hätte, wäre er zu dem Schluss gekommen, dass der Apparat Polizei bei diesem Fall extrem schnell zum Handeln kam und auch die Abstimmung der verschiedenen Sektionen wie am Schnürchen klappte. Dies lag vor allem daran, dass alle Beamten inzwischen für den Fall eines Amoklaufs jährliche Spezialschulungen erhielten, die einen schnellen Großeinsatz mit allen Handlungsabläufen simulierten. Die Beamten, die am Flughafen tätig waren, bekamen obendrein noch Schulungen für Einsätze gegen eventuelle terroristische Angriffe.
Bereits nach etwa fünfzehn Minuten war klar, dass die Sofortfahndung nicht zu einem sofortigen Ergebnis führen würde und dass die Befragungen am Entführungsort zunächst keine weiteren Erkenntnisse brachten. Es war erstaunlich – niemand hatte die Entführung mitbekommen.
Die Ameisen, sie achteten nicht aufeinander.
Göllmann hatte Zbigniew in einer Atempause befragt, ob er eine Ahnung habe, wer Lena entführen wollte oder was ein mögliches Motiv für die Tat sein könnte. Zbigniew hatte der Einfachheit halber geantwortet, er habe keine Ahnung.
Nun kam Göllmann wieder auf ihn zu.
»Haben Sie oder Ihre Freundin irgendetwas mit terroristischen Vereinigungen am Hut?«, fragte er.
»Wieso?«, fragte Zbigniew zurück. Würden seine schlimmsten Ängste wahr?
»Die Wagenhalterin. Alaia Sarwari. Sie ist vor zehn Jahren aus Afghanistan gekommen.«
Die Hautfarbe der Frau auf dem Video, schoss Zbigniew durch den Kopf.
»Gibt es irgendeinen Verdacht gegen sie?«
»Nein. Ein unbeschriebenes Blatt. Wohnt in Bonn-Auerberg. Unverheiratet, kein Kind, keine Eintragungen. Zuverlässig. Arbeitet bei einer der privaten Dienstleistungsfirmen, die hier putzen, es gab niemals Klagen über sie. Die ELS t hat bereits ein MEK rausgeschickt.«
Ein Mobiles Einsatzkommando, das den Bereich um die Wohnung von Alaia Sarwari erkunden und die Wohnung observieren würde, ohne zu Taten zu schreiten.
»Hat sie ihren Wagen als gestohlen gemeldet?«
»Nein. Aber ein SEK ist bereits angefordert, und wir werden gleich zum Sammelpunkt fahren.«
Sammelpunkt.
Hier verlor niemand Zeit.
Zbigniew überlegte eine Sekunde.
»Ich möchte da mitfahren.«
»Herr Meier … «
Göllmann war anzusehen, dass er dies für keine gute Idee hielt.
»Ich halte mich zurück. Aber ich möchte da mitfahren. Hier kann ich auch nichts ausrichten.«
»Sie sollten vielleicht … ich meine, Sie sind privat zu dicht dran. Sie können natürlich auch den Dienststellenleiter in der ELS t fragen … aber der wird Ihnen bestimmt nichts anderes sagen.«
Zbigniew wusste, dass er recht hatte.
»Ich werde mich völlig im Hintergrund halten«, sagte er.
Göllmann seufzte.
»Ich weiß, dass Sie Großes geleistet haben. Ich hab das damals alles verfolgt. Wenn Sie so wollen, bin ich ein Fan von Ihnen. Aber wenn ich Sie da mitbringe, bekomme ich bestimmt großen Ärger.«
Einen Moment lang schluckte Zbigniew.
Es gelang ihm lediglich, seine eigenen Worte zu wiederholen.
»Ich werde mich völlig im Hintergrund halten.«
4
Drei Minuten später fuhren sie in einem Dienstwagen mit irrem Tempo auf der Autobahn 59 in Richtung Süden. Zbigniew saß auf der Rücksitzbank, ihm war latent übel. Er spürte, dass sein Körper dringend Schlaf
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