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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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›Times‹ – Magazin gelesen«, sagte Sylvia,
    »daß Joan Didion mit Hochmut auf die Frauenbewegung herabsieht.
    Warte einen Moment, ich hab den Artikel da. Hier ihre eigenen lieb-lichen Worte: ›All jenen von uns, deren Hauptanliegen nach wie vor darin besteht, sich mit Moralbegriffen und Widersprüchen auseinanderzusetzen, müssen die Analysen der Feministinnen besonders eng und unzulänglich erscheinen. Die feministische Analyse ist reinster, verbohrter Determinismus. ‹ – So weit Joan Didion, und ›Times‹
    kommentiert, Joan Didion verachte die Frauenbewegung, weil sie sie für heuchlerisch halte. Georgia O’Keeffe dagegen bewundere sie.
    Wer zum Teufel würde Georgia O’Keeffe nicht bewundern? Warum, verdammt, bin ich nur so wütend auf Joan Didion? Sie schreibt gute Romane, auch wenn sie sie in Hollywood schreibt. Und frag mich jetzt nicht, was das alles mit Janet zu tun hat, ich weiß es nämlich 65

    nicht.«
    »Genau das war Janets Problem: Offenbar hatte nichts irgend etwas mit ihr zu tun. Außerdem leistete sie sich nicht den Luxus, in Hollywood zu residieren und unsere Moralbegriffe zu hinterfragen, sondern lehrte in Harvard. Und entweder wollte oder konnte sie nicht einsehen, daß sie nur von Frauen Unterstützung hätte erwarten können.«
    »Joan Theresa, zum Beispiel, hat es eingesehen.«
    »Ja, aber Joan Theresa geht noch viel weiter. Sie will überhaupt nichts mit Männern zu tun haben, und auch nicht mit Frauen, die mit Männern zusammenleben. Und natürlich hält sie es für alles andere als erstrebenswert, einer männlichen Institution wie Harvard anzugehören. Ein kaputter Verein mit kaputten Mechanismen, in dem wir, du und ich, uns prostituieren. Wir beide sind in der Minderheit, Sylvia, ein in die Ecke gedrängter winziger Haufen.«
    »Ausgestoßen wie die ledigen Töchter mit Kind zu Königin Viktorias Zeiten.«
    »Und wenn nicht gerade ausgestoßen, so zu Leid und ewiger Reue verurteilt. Das einzige, was uns noch helfen kann«, sagte Kate,
    »ist ein Drink.«
    Kate machte sich viel größere Sorgen um Luellen May und das Café »Vielleicht nächstes Mal«, als sie sich und Sylvia gegenüber zugeben wollte. Zum einen hielt sie es für wahrscheinlich, daß die Polizei sich, wenn auch nicht gerade freudig, so doch erleichtert, auf Luellen May als Hauptverdächtige stürzen würde. Zum andern – und Kate gestand sich das nur widerwillig ein, während sie mit der U-Bahn in Richtung Central Square fuhr – hielt auch sie, Kate, die große Detektivin, Luellen May für verdächtig. Warum? Wollte sogar sie, die sie Harvard doch verachtete, einfach nicht glauben, daß jemand aus Harvards Reihen als Janets Mörder in Frage kam? War sie eher bereit, jemanden, der weit außerhalb der Harvard-Gemeinde stand, zu verdächtigen, als die Gemeinde selbst? So unbequem diese Fragen auch waren, Kate stellte sich ihnen und begriff: Wenn sie schon so anfällig dafür war, eher einer Frauenkommune als einer ehrwürdigen Institution zu mißtrauen – die Polizei war doppelt so anfällig.
    Weil sie Klarheit in ihre Gedanken bringen wollte, hatte Kate sich entschlossen, endlich das Café aufzusuchen. Denn daß sie so wenig von der Welt Joan Theresas und Luellen Mays wußte, trug zweifellos zu ihrer Verwirrung bei. Außerdem ärgerte sich Kate, daß 66

    sie die Schwestern nicht schon früher besucht hatte, als Janet noch lebte. Jetzt war es schwierig, wenn nicht ausgeschlossen, daß sich noch eine unbefangene Beziehung zwischen ihnen entwickelte. Aber schließlich, tröstete sie sich, war sie ja erst wenige Wochen in Harvard – es war gerade Anfang Februar –, auch wenn es ihr manchmal vorkam, als wäre sie schon Jahre hier.
    Das »Vielleicht nächstes Mal« war im Erdgeschoß eines jener großen Häuser, die so charakteristisch für Cambridge waren. Es lag zu weit außerhalb, um Harvard zu interessieren. Die Küche im hinte-ren Teil war zum Café hin geöffnet, und Kate konnte zwei Frauen dort hantieren sehen. Eine knetete Brotteig, der sehr nahrhaft und braun aussah und bestimmt Vollkorn- oder ungebleichtes oder sonst ein gesundes Mehl enthielt. Kate spürte, wie Blicke kurz auf ihr ruhten und sich dann abwandten. Der Sinn dieser Art von Cafés war, daß Frauen allein dort hingehen konnten, ohne angestarrt oder belästigt zu werden. Sie setzte sich an einen Tisch, und während sie noch überlegte, ob man sich das Essen an der Theke holen mußte, erschien eine Frau mit einem Block in der Hand. Kate

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