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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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der anglistischen Fakultät, von der Polizei wahrscheinlich erst gar nicht ernsthaft in Betracht gezogen wurden.
    Und es war wirklich, das mußte sich Kate, wenn auch widerwillig, eingestehen, ziemlich unwahrscheinlich, daß einer der Anglistik-Professoren – als einziges Exemplar hatte Kate bisher Clarkville kennengelernt – der Täter war. Jemand aus diesen Kreisen hätte sich für einen langsamen Tod entschieden, hätte es nicht nötig gehabt, zu so krassen Mitteln zu greifen. Es hätte ausgereicht, Janet mit Verach-tung zu strafen, sie zu isolieren und ihre Stellung zu untergraben, indem man den Studenten zu verstehen gab, daß Unterstützung für Frau Professor Mandelbaum nicht gerade der beste Weg sei, sich an den richtigen Stellen beliebt zu machen – und Janet hätte sich allmählich zurückgezogen. Einen Skandal heraufbeschwören, das hatte man nicht nötig.
    Aber angenommen, sinnierte Kate, daß man an einem anderen Fachbereich Harvards fürchtete, irgendein Millionär könnte sie als nächstes mit einem Lehrstuhl für eine Frau beglücken, und dann den Plan faßte, Janet zu ermorden, um das Thema ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Hatten die womöglich die Leiche dem Warren-Haus aufgehalst und aufs Beste gehofft? Aber welche Fakultät könn-te es sein? Es hatte in so vielen Fachbereichen nie eine Frau auf einem Lehrstuhl gegeben, daß man praktisch ganz Harvard hätte verdächtigen müssen. Nun, dachte Kate, für mich ist in der Tat ganz Harvard verdächtig.
    In einer Notiz am Schluß des Polizeiberichts hieß es, befugten Personen sei die Einsichtnahme der Verhörprotokolle gestattet et cetera… Kurz, jetzt bin ich so schlau wie zuvor, und Harvard wird wieder einmal ungeschoren davonkommen, sagte Kate zu sich selbst und mahnte sich im nächsten Moment: Langsam wirst du wirklich 90

    paranoid, was Harvard angeht. Was hat diese Institution dir denn getan, außer daß sie dich ans Radcliffe-Institut eingeladen hat, und an diesem Institut gibt es weiß Gott nichts auszusetzen.
    Wirklich, dachte Kate, als sie am nächsten Morgen in ihrem Arbeitszimmer saß, man konnte sich nicht beschweren. Mochten sich Frauen andernorts unwillkommen fühlen – hier nicht. Und noch mehr, sagte sich Kate, während sie aus dem Fenster blickte, man strengte sich wirklich an in Harvard. Ein Trupp von Männern räumte den Schnee fort. Das ganze Gelände war wunderbar gepflegt. Und kurz vor den Abschlußfeiern, hatte Leighton ihr erzählt, wurden Grassamen über den ganzen Campus geblasen, ja, geblasen. Es funktioniert, versicherte Leighton: Kurz darauf wächst überall der schönste Rasen. Kate freute sich darauf, es zu sehen – falls Leighton ihr Examen machte, falls sie selbst so lange blieb, falls das Leben weiterging.
    Ein Klopfen an der Tür. Zum zweiten Mal stand die unwillige Empfangsdame vor Kate, aber heute waren ihr Ärger und ihre schlechten Manieren mit einer leichten Spur Ehrfurcht vermischt.
    »Wieder ein Anruf?« fragte Kate vorsichtig.
    »Sie haben es erraten«, sagte die Empfangsdame und machte auf dem Absatz kehrt.
    »Und natürlich wieder ein Mann«, sagte Kate, aber sehr leise.
    Wenn Clarkville noch eine Leiche gefunden hat, dann soll er sich, bitteschön, jemand anders suchen, um darüber zu reden.
    Aber es war Moon. Man hatte ihn verhaftet. Als Mörder von Janet. Man gestattete ihm nur einen Anruf, und ob Kate sich um Anwalt und Kaution kümmern könne? Wenn nicht, hätte er natürlich Verständnis. Schließlich war er schon einmal im Gefängnis – im Süden, nach einem Friedensmarsch. Er hatte ihr nur Bescheid sagen wollen.
    »Nur für den Fall, daß du dich das fragst«, sagte Moon. »Ich habe Janet nicht umgebracht.«
    91

Acht
    Manchmal glaube ich wirklich,
    nur Autobiographie ist Literatur.

    Virginia Woolf

    Während eines längst vergangenen Sommers, den sie in den Berkshires verbrachte, hatte Kate schon einmal Grund gehabt, einen Bostoner Anwalt um Beistand zu bitten. Er hatte mit Reed Jura in Harvard studiert, war dann Strafverteidiger geworden, und Kate beschloß, sich auch jetzt an ihn zu wenden. Es war natürlich nicht einfach, einen vielbeschäftigten Anwalt so plötzlich zu überfallen, aber schließlich waren sie Freunde geblieben, und er würde ihr zu Hilfe kommen, auch wenn Reed gerade in Lhambamamba unterwegs war.
    »Das hätte ich mir denken können!« schnaubte John Cunningham, als Kate ihn am Telefon hatte. »Dieser Schlamassel in Harvard, dieses Durcheinander mit der ersten

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