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Die Tote

Die Tote

Titel: Die Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion
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warben mit Leuchtreklamen und Plakaten, die leicht bekleidete Frauen in aufreizenden Posen zeigten. Auf den Straßen tummelte sich ein Schmelztiegel der Kontinente. Europäer, Afrikaner, Asiaten.
    Charlotte wollte gerade den Dönerimbiss betreten. Da sah sie ihn. Und er sah sie auch. Er kam aus der entgegengesetzten Richtung und war vor der Bar »Leinelust« stehen geblieben, als er sie sah. Charlotte blieb ebenfalls stehen. Der Mann überlegte nur wenige Sekunden, dann ging er, ohne sie anzusehen, an ihr vorbei.
    Heimann. Charlotte war unsicher. Was sollte sie tun? Es war nicht verboten, sich am Steintor rumzutreiben. Und ob er die Bar wirklich hatte betreten wollen, das wusste sie nicht. Aber an Zufälle glaubte sie auch nicht. Sie beschloss, Heimann auf den Fersen zu bleiben. Der trottete in aller Ruhe am Marstall entlang, blieb am Schaufenster einer Videothek stehen, ging ein paar Schritte weiter und drehte sich abrupt um. Charlotte war das egal, er sollte wissen, dass sie ihn im Visier hatte. Er trug Jeans und eine Lederjacke, steckte die Hände in die Hosentaschen und blickte Charlotte herausfordernd an. Sie trat näher und hielt seinen Blick fest.
    »Was wollen Sie von mir? Weshalb verfolgen Sie mich?«, fragte er leise.
    »Na, raten Sie mal«, antwortete Charlotte. »Erzählen Sie mir, was Sie hierherführt.«
    »Das geht Sie gar nichts an.«
    »Ihr Enkelkind haben wir übrigens immer noch nicht gefunden.«
    »Interessiert mich nicht«, sagte Heimann. »Lassen Sie mich in Ruhe, sonst …«
    »Sonst … was?«, fragte Charlotte. »Wollen Sie mir drohen?«
    »Sonst erstatte ich Anzeige.«
    »Tatsächlich? Wie lautet die Anklage?«
    Heimanns Augen blitzten. Er trat ganz nahe an Charlotte heran. »Lassen Sie mich in Ruhe«, zischte er. »Ich hab genug von euresgleichen.«
    Charlotte bekam es ein bisschen mit der Angst zu tun, ließ sich aber nichts anmerken.
    »Dito«, raunte sie stattdessen, drehte sich um und zückte ihr Handy, um in der Direktion anzurufen. Kramer war noch da. »Leo, schick mir bitte ein Foto von diesem Heimann aufs Handy. Der ist mir eben vor der »Leinelust« über den Weg gelaufen. Nein … du brauchst nicht zu kommen, ich passe schon auf. Will ja nur fragen, ob die ihn in der Bar kennen. Beeil dich!«
    Sie stand mitten auf dem Bürgersteig, ein junger Mann mit Pudelmütze rempelte Charlotte an.
    »Hey!«, rief sie ihm hinterher. Er drehte sich nicht einmal um. Aber vielleicht war das gut so. Charlotte war in der Stimmung, jeden einzubuchten, der sich mit ihr anlegte, wenn sie schon diesem Ekelpaket von Heimann nichts anhaben konnte.
    Es war früher Abend, und die Bar war noch relativ leer. Charlotte ging zu der Frau hinter der Theke. Sie war nicht mehr ganz jung, aber ziemlich attraktiv, zumindest wenn sie lächelte, und das tat sie, als sie dem Kunden an der Bar ein Bier hinstellte. Als Charlotte ihren Ausweis zückte, verschwand das Lächeln, und die Frau alterte in Sekundenschnelle um fünfzehn Jahre.
    »Haben Sie diesen Mann schon mal gesehen?« Charlotte hielt ihr das Handy hin. Die Frau kramte unter der Theke herum, bevor sie eine Brille hervorzog. Immerhin sah sie sich das Bild genau an.
    »Nee, kenn ich nicht. Du?« Sie warf dem Mann, der gerade die Hälfte seines Bieres hinuntergeschüttet hatte, einen Blick zu.
    Der stierte mit glasigen Augen in Richtung Handy. »Keinen Dunst, wer das ist«, sagte er und widmete sich wieder seinem Bier.
    Charlotte war sich nicht sicher, ob der Kerl überhaupt irgendwas gesehen hatte, betrunken, wie er war.
    »Was ist denn im Moment los?«, wollte die Dame hinter der Bar jetzt wissen. »Andauernd laufen die Bullen hier rum und halten uns Bilder vor die Nase. Was soll’n das?«
    »Vermisstensuche«, erklärte Charlotte, die keine Lust hatte, Informationen preiszugeben, wenn sie ihrerseits keine bekam. »Kann ich bitte noch mit den anderen Angestellten sprechen, die gerade hier sind?«
    Die Frau machte eine ausholende Handbewegung. »Fühlen Sie sich wie zu Hause, ist im Moment sowieso keiner da, außer mir und Mirjam. Die sitzt dahinten.«
    Sie wies auf eine Art Séparée, wo eine ebenfalls nicht mehr ganz junge Frau im roten Cocktailkleid mit einem älteren Herrn flirtete. Auch hier, ebenso wie bei den beiden anderen Gästen, die an einem der Tische saßen und Cola mit einer klaren Flüssigkeit aus einer kleinen Flasche tranken, hatte Charlotte keinen Erfolg. Der Mann mit der Begleitung im Cocktailkleid wäre beinahe unter den Tisch gekrochen,

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