Die Tote
waren Gäste in der »Leinelust« gewesen. Was übersah sie hier? Und wenn Rüdiger etwas herausgefunden hatte, was war es?
Bremer parkte in Zeitlupe, und Charlotte sprang aus dem Auto, bevor ihr Kollege den Wagen gestoppt hatte. Das ging ihr alles zu langsam.
Frau Meiler, die Assistentin von Frau Wilmers, trug heute ein Sommerkleid, bei dessen Anblick Bremer fast die Augen aus dem Kopf quollen. Charlotte fand es eher unpassend. Natürlich, es war ein warmer, um nicht zu sagen heißer Tag, aber dieses Kleid hätte Charlotte allenfalls im Urlaub in Südfrankreich getragen. Wahrscheinlich hätte sie es überhaupt nicht getragen. Weder war ihre Taille so schmal wie die von Frau Meiler, noch hatte sie so lange Beine. Von den mehr als üppigen Brüsten ganz zu schweigen. Und die Spaghettiträger passten auch nicht in ein Amt, fand Charlotte. Bremer war offensichtlich anderer Meinung. Als er ihren Ausschnitt sah und sich wohl vorstellte, was er verhieß, wurde er rot bis an die Ohren.
Charlotte knuffte ihn in die Seite, und er blickte verwirrt auf seine Füße.
Frau Meiler, die solche Blicke offensichtlich gewohnt war, ließ sich nichts anmerken und führte sie zu Frau Wilmers, die sie bereits erwartete.
Charlotte stellte Bremer vor und gab ihr die Hand. »Frau Wilmers, Sie wollten uns etwas sagen.«
»Ja.« Sie wies auf die Besucherstühle, und die beiden Beamten setzten sich. Bremer war immer noch rosa wie ein neugeborenes Ferkel. »Heute Morgen hat ein junges Mädchen angerufen, hat sich als Freundin von dieser Alina Wildner ausgegeben, die ja nach meinen Informationen auch noch vermisst wird.« Charlotte nickte schweigend und wartete.
»Also, die junge Frau – ihren Namen hat sie nicht genannt – war ziemlich aufgeregt, wusste nicht, an wen sie sich wenden sollte. Mit der Polizei wollte sie nicht sprechen. Auf jeden Fall hat sie gesagt, dass Alina ihr gesagt habe, sie sei schwanger, und sie müsse eine Zeit lang verschwinden. Wenn alles erledigt sei, würde sie wiederkommen, habe sie gesagt. Und sie hat der jungen Frau das Versprechen abgenommen, das unter keinen Umständen irgendwem zu verraten, vor allem nicht der Mutter.«
»Ich denke, ich kenne das Mädchen und auch ihre Mutter. Es ist ja wohl am besten, wenn wir selbst mit ihr reden.« Charlotte war schon aufgestanden, um die Sache in Angriff zu nehmen.
»Das halte ich für keine gute Idee«, widersprach Frau Wilmers. »Erstens wissen Sie nicht genau, ob Sie richtig liegen, und zweitens wird Sie Ihnen kein Wort sagen, da bin ich sicher.«
Charlotte setzte sich wieder.
»Was meinte sie mit einer Zeit lang? Plante sie eine Abtreibung?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Frau Wilmers. »Auf jeden Fall – und Gott sei Dank muss man wohl sagen – hat das Mädchen die Nerven verloren und musste sich jemandem anvertrauen, und da war wohl das Jugendamt besser als die Polizei.«
»Wusste sie, wer der Vater ist?«
»Nein, sie wusste rein gar nichts, sie hätte Alina das nie zugetraut. Sie sei so unschuldig gewesen. Genau so hat sie sich ausgedrückt.«
»Unschuldig?«, wiederholte Charlotte. »Seltsamer Ausdruck aus dem Mund einer Fünfzehnjährigen.«
»Es geht um die Erfahrung mit Jungs. Darum geht es immer«, antwortete Frau Wilmers und seufzte resigniert. »Es kann ihnen immer nicht schnell genug gehen.«
»Also sind wir im Grunde nicht schlauer als vorher, nur dass jetzt die Hoffnung besteht, dass Alina eben nicht entführt wurde, sondern weggelaufen ist und noch lebt.« Wieder stand Charlotte auf. »Wir müssen sofort die Mutter benachrichtigen.«
»Ja, das denke ich auch«, stimmte Frau Wilmers zu und begleitete die beiden Beamten zur Tür.
»Sie wissen sicher schon, dass im Friederikenstift in der Babyklappe ein Baby abgegeben worden ist?«, meinte Charlotte, bevor sie die Tür öffnete.
»Ja, ich weiß Bescheid.«
»Wir haben den Verdacht, dass es sich möglicherweise um das Kind der jungen Frau handelt, die wir am Kröpcke gefunden haben«, sagte Charlotte. »Wir warten noch auf das Ergebnis der DNA -Analyse.«
»Das ist natürlich möglich«, stimmte Frau Wilmers zu.
Charlotte wusste nicht recht, wie sie fortfahren sollte, aber sie hatte noch etwas auf dem Herzen. »Angenommen, es ist tatsächlich das Kind der jungen Frau, und angenommen, der Großvater des Babys lebt noch. Bleibt das Kind dann in der Familie?«
»Das hängt unter anderem von dem Großvater und seiner familiären Situation ab. Maßgeblich für den Verbleib ist
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