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Die Tote

Die Tote

Titel: Die Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion
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sind sie weg.«
    »Ist ja gut«, murrte Bremer.
    Sie folgten dem Renault über die Lavesallee, den Friedrichswall, die Marienstraße und die Hans-Böckler-Allee bis zum Pferdeturm und dann auf den Messeschnellweg nach Norden.
    »Sieht nicht so aus, als wollten die nach Köln«, sagte Bremer.
    »Nein«, Charlotte zupfte an ihrer Unterlippe, »ich glaube sowieso, die haben uns verarscht.«
    »Was meinst du?«, fragte Bremer, der vor dem Lenkrad klemmte wie ein Kurzsichtiger vor einem Busfahrplan.
    »Ich bin mir nicht sicher«, murmelte Charlotte, »aber diese Sache hat eine Dimension angenommen, die den Beteiligten über den Kopf gewachsen ist. Rüdiger ist ihnen einfach in die Quere gekommen. Die wollten sich Luft verschaffen.«
    »Du sprichst in Rätseln.« Bremer standen die Schweißperlen auf der Stirn.
    Sie folgten dem Wagen über eine halbe Stunde über die A 7. Die Fahrt war keine rechte Freude.
    »Verdammt!«, kreischte Charlotte, die am Rande eines Nervenzusammenbruchs stand. »Du verlierst die doch. Gib Gas!«
    »Ja, mach ich doch. Das Auto ist nicht so schnell.«
    »Quatsch«, schimpfte Charlotte. »Lass mich fahren!«
    »Wenn ich anhalte, sind sie erst recht weg.«
    »Wer sagt, dass du anhalten sollst. Ich halte das Steuer, und du schnallst dich ab und kommst langsam zu mir rüber.«
    »Du spinnst ja komplett!«, schrie Bremer und tippte sich an die Stirn. »Das machen wir nicht!«
    »Doch!«
    Es gab Momente, in denen verweigerte Bremer den Gehorsam. Dies war so einer.
    »Nein, ich hab sie im Blick.«
    »Aber nicht mehr lange, verdammt!«
    Bremers Handy klingelte. Das bremste Charlotte für einen Moment. Sie nahm das Gespräch an.
    »Okay«, sagte sie dann knapp und drückte das Gespräch weg.
    »Die Nummer ist getürkt. Ist auf keinen Wagen zugelassen.«
    »Das reicht ja dann wohl für eine Fahndung.«
    »Allerdings«, stimmte Charlotte zu, »aber wir warten noch. Und in der Zwischenzeit pass auf, dass du sie nicht verlierst! Hast du gehört?!«
    * * *
    Er hatte einen satten Abstand zwischen sich und seinen Verfolger gebracht. Die Dunkelheit war sein Freund. Allerdings hatte er keine Ahnung, wo er sich befand. Das Mädchen war verschwunden. Er traute sich nicht, nach ihr zu rufen. Seine Hände schmerzten, vom Kopf ganz zu schweigen. Langsam tastete er sich voran. Überall Bäume, Nadel- und Laubgehölz. Er kam nur langsam voran, hoffte, das Mädchen irgendwo zu entdecken, denn der Verfolger war keineswegs aus dem Weg geräumt. Er war ihnen mit Sicherheit auf den Fersen – und die Waffe hatte er bestimmt gefunden. Er brauchte also nur zu warten, bis es hell wurde. Dann würde er sie finden, wenn sie nicht vorher Hilfe fanden.
    Wenn er nur wüsste, wo er war. Egal. Weiter. Weg von dem Kerl, denn der war zu allem fähig. Ein plötzlicher Schwächeanfall zwang ihn zu einer Pause. Er setzte sich, lehnte sich an einen Baum und versuchte, den Schmerz in seinem Kopf zu ignorieren. Dann erschien Charlottes schönes Gesicht vor seinem geistigen Auge, dann das seines Sohnes, jünger, glatter, nicht weniger schön, und die Sehnsucht gab ihm die Kraft, sich wieder aufzuraffen, sich weiter voranzuquälen.
    Plötzlich hörte er etwas, ein leises Weinen. Er sah sich um und entdeckte zwischen den Baumstämmen ein weißes Etwas. Es lehnte an einem Baum. Das Mädchen. Vorsichtig näherte er sich.
    »Pst«, flüsterte er, und: »Vorsicht.« Das Weinen verstummte, und das weiße Etwas verformte sich von klein und rund zu hoch und schmal. »Ganz ruhig«, sagte er und merkte, dass sie zitterte.
    Die Nacht war warm, so warm wie selten im Juni. Fast als meinte es der Wettergott gut mit ihnen. Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um. Es war sowieso besser, wenn sie die Jacke trug. Mit dem hellen Hemd waren sie zu leicht zu entdecken. Sie schluchzte noch ein bisschen, schien sich aber zu beruhigen. Er musste sie irgendwie dazu bringen, ihm zu folgen. Aber sie wollte nicht gehen, und erst jetzt bemerkte er, dass sie barfuß war. Er bückte sich und riss kurzerhand den unteren Teil ihres Hemdes ab. Was war das für ein Stoff? Flanell? Sie zuckte zusammen, blieb aber, wo sie war. Er bedeutete ihr, sich zu setzen, während er den Stoff in breite Streifen riss und ihre kleinen Füße damit umwickelte. Das Geräusch des Reißens hallte weit durch den stillen Wald, aber er hatte keine Wahl. Seine Schuhe waren viel zu groß, und tragen konnte er das Mädchen nicht. Dann wären sie nicht schnell genug, und sie mussten sich

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