Die Tote
was einen heftigen Schmerz durch seinen Kopf jagte. Dann erblickte er das Mädchen. Sie lag neben ihm. Blut rann aus einer Wunde an der Schläfe. Er fühlte ihren Puls. Sie lebte, atmete ruhig und gleichmäßig. Sie mussten sich in dem Transporter befinden und wurden irgendwo hingebracht. Plötzlich stoppte der Wagen.
Ein fahles Licht fiel durch die getönten Scheiben. Mühsam rappelte er sich auf und versuchte, die Wagentür zu öffnen, was nicht funktionierte. Einen Moment musste er sich setzen. Pause, nur eine kurze Pause, dachte er und drückte seine Handballen gegen die Schläfen. Tief einatmen, den Schmerz ignorieren. Er hatte hier eine Aufgabe. Das Mädchen, er musste versuchen, sie zu wecken. Tragen konnte er sie nicht, falls ihnen die Flucht gelang. Er patschte ihr mehrmals gegen die Wangen, und sie schlug die Augen auf. Sofort legte er einen Finger auf die Lippen.
»Kein Wort«, flüsterte er, »du tust genau, was ich sage, sonst stirbst du. Hast du das verstanden?« Sie nickte schwach.
»Wenn er die Tür öffnet, schließt du die Augen und rührst dich nicht. Und wenn ich sage: Lauf weg, dann läufst du! Ist das klar?«
»Ja«, hauchte sie, und Bergheim war so verblüfft, dass er für einen Moment ihre missliche Lage vergaß und lächelte.
Eine Tür wurde geöffnet und zugeschlagen. Bergheim wappnete sich. Entweder der Angriff gelang, oder sie würden hier beide sterben. Er legte sich neben das Mädchen und stellte sich tot. Die Tür wurde aufgeschoben, und eine Taschenlampe fuhr über ihre Körper.
»Raus!«, schrie der Kerl.
Niemand rührte sich. Bergheim traf ein Gertenschlag auf den Rücken, den seine Lederjacke halbwegs abschmetterte. Aber noch so einen würde er nicht wegstecken, ohne sich zu verraten, und das Mädchen erst recht nicht. Aber wenn der Kerl mit einer Taschenlampe in der einen Hand und einer Gerte in der anderen herumhantierte, wo hatte er dann seine Waffe?
Bergheim setzte alles auf eine Karte, peilte die Taschenlampe an, sprang auf und platzierte einen Fausthieb dorthin, wo er das Gesicht des Angreifers vermutete. Er traf, wenn auch nur mit halber Kraft, aber er setzte sofort nach und sprang dem Kerl ins Gesicht.
»Lauf!«, schrie er gleichzeitig.
Die beiden rangelten auf dem Boden, der Kerl hatte jetzt seine Waffe in der Hand. Bergheim hatte ihm die Sturmmaske vom Kopf gerissen und ging dem Mann an die Kehle.
»Wusste ich’s doch, du Mistkerl«, ächzte Bergheim. Das Mädchen war immer noch im Wagen.
»Hau sofort ab, verdammt!«, rief Bergheim, während er versuchte, die Waffe an sich zu bringen.
Endlich löste sich das Mädchen aus seiner Erstarrung und rannte an den beiden Kämpfenden vorbei in den Wald. Die Waffe ging verloren, und Bergheims Kräfte ließen nach. Lange würde er nicht mehr durchhalten. Er versetzte dem Kerl einen Schlag in die Magengrube, was den für einen Moment außer Gefecht setzte.
Bergheim rappelte sich auf und versuchte, die Waffe zu finden. Leider war es schon dunkel, und der fast volle Mond schien durch dichtes Nadelgehölz. Schnell sah er ein, wie sinnlos das Suchen war, denn der Boden war mit Heidekraut bedeckt. Sein Widersacher stand wieder auf seinen Füßen und wollte ihn angreifen. Also nahm Bergheim die Beine in die Hand und folgte der Frau in den Wald.
* * *
»Was ist das für eine Marke?«, fragte Charlotte.
»Sieht aus wie ein Renault Scenic«, antwortete Bremer.
»Schwarz«, sagte Charlotte.
»Mit roter Reklame am Heck.«
»War Erwin Müller wohl doch nicht so betrunken gewesen, wie wir dachten.«
Der Wagen parkte am Bordstein, ein Mann stieg aus und ging zielstrebig zu demselben Hauseingang, den die Frau wenige Minuten vor ihm benutzt hatte.
»Kannst du das Kennzeichen entziffern?«
» H - BO 8861.«
»Lass das überprüfen.«
Bremer zückte sein Handy und gab seinem Kollegen die Nummer durch. »Sollten wir nicht reingehen?«, fragte er dann.
»Nein«, antwortete Charlotte, »wir werden hier doch keine schlafenden Hunde wecken. Die Frau weiß, wo Rüdiger ist, und sie wird uns hinführen, verlass dich drauf. Dann können wir zuschlagen.«
»Meinst du, wir können so lange warten?«
»Was sollen wir machen? Sie verhaften? Wir haben doch nichts in der Hand.«
Die Haustür öffnete sich, ein Mann und eine Frau traten aus dem Haus und bestiegen den Renault. Dann fuhren sie los, Richtung Ricklinger Stadtweg. Bremer steuerte hinterher, zu langsam, fand Charlotte.
»Menschenskind, du musst schon dranbleiben, sonst
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