Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
Emilys Katze, ein fuchsbrauner Kater mit dem Namen Daxter, kommt durch die Schiebetür und hüpft auf meinen Schoß. Er fängt an zu schnurren, als ich ihn unterm Kinn kraule. Er war erst sechs Monate alt, als Emily starb, und die Frage, ob Katzen sich an Menschen erinnern, wird dadurch beantwortet, dass er stets auf ihrem Bett schläft und manchmal genau wie meine Frau dreinblickt – als würde er nach etwas Ausschau halten, was nicht mehr da ist.
Ich leere mein Bier und gehe zurück ins Zimmer. Fülle Daxters Näpfe mit Futter und Wasser. Er scheint dankbar zu sein. Dann gehe ich am Schlafzimmer meiner Tochter vorbei, ohne einzutreten. Es wäre sinnlos. Während ich dusche, denke ich über Rachel Tyler nach, gebe mir allerdings größte Mühe, mir nicht ihre letzte Stunde auszumalen. Ich versuche mir vorzustellen, dass Bruce, der tote Friedhofswärter, tatsächlich unschuldig ist, ohne dass es mir jedoch so recht gelingt. Dann fällt mir Casey Horwell ein, und ich frage mich unwillkürlich, ob etwas Wahres an ihrer Behauptung ist, dass alle mich hassen.
Als ich mich schließlich aufs Ohr haue, ist Daxter bereits auf Emilys Bett eingeschlafen. Ich liege in der Dunkelheit und denke an meine tote Familie und an den Mann, der dafür verantwortlich ist. Ich wünsche mir, dass in diesem durchschnittlichen Haus in dieser durchschnittlichen Straße nie etwas Schlimmes passiert wäre, doch es ist längst zu spät.
Kapitel 14
Am nächsten Morgen verschlafe ich erst einmal, was nicht gerade ein guter Einstieg in den Fall ist. Als ich mein Handy aufklappe, stelle ich fest, dass es den Geist aufgegeben hat. Der Ausflug in den See war für das Gerät schädlicher, als ich dachte. Ich schüttle es ein wenig und verbiege das Gehäuse, dann nehme ich den Akku heraus, drücke ihn wieder rein und versuche, es ans Netz anzuschließen, doch nichts geht mehr. Ich habe keine Ahnung, wie viele Anrufe ich verpasst habe.
Nachdem ich mir in einem nahe gelegenen Einkaufszentrum ein neues Handy gekauft habe, mache ich mich auf den Weg zum Polizeirevier. Auf der Fahrt dorthin denke ich, dass Christchurch und Technologie zusammenpassen wie Autofahren und Alkohol: nicht besonders, doch der eine oder andere hält es trotzdem für eine gute Idee. Leute, die in der Vergangenheit leben, haben Gebäude, die über hundert Jahre alt sind, unter Denkmalschutz gestellt und vor der Zukunft bewahrt. Es kann also kein Investor kommen und sie durch Hochhäuser oder Apartmentkomplexe ersetzen. Die Stadt macht einen abweisenden Eindruck, erst recht bei diesem trostlosen Wetter. Alles wirkt so verdammt alt – und ist es größtenteils auch. Selbst die Nutten sehen aus wie Fünfzigjährige. Ich fahre an einem Typen auf einem Mountainbike vorbei, der gerade Klebstoff schnüffelt; von seinem Mund führt eine Papprolle zu einem Plastikbeutel am Lenker. So was nennt man Multitasking.
Das Polizeirevier befindet sich in einem zehnstöckigen Gebäude aus Glas und Beton, das schon zum Zeitpunkt seiner Errichtung nicht mehr modern war. Ich parke draußen auf der Straße und füttere die Parkuhr, dann steige ich die Treppe zur Eingangshalle hinauf. Abgesehen von ein paar Leuten, die in einer Schlange warten, um ihre Beschwerden vorzubringen, ist im Erdgeschoss nicht viel los. Ich trage mich an einem Tisch in eine Liste ein; da man mich oben erwartet, gibt es keine Probleme. Ich drücke auf einen Knopf, und einen Moment später ist der Aufzug da. Als er auf dem Weg in den vierten Stock in der ersten Etage hält, bekomme ich Gesellschaft: ein Mann um die dreißig, Arbeitskleidung, Eimer und Wischmopp in der Hand.
»Ich bin hier der Putzmann«, sagt er und grinst mich bis über beide Ohren an. Ich erwidere sein Lächeln, dann hält der Aufzug im vierten Stock, und die Türen öffnen sich. Ich trete in den Flur, und der Putzmann folgt mir. Wir gehen ein Stück nebeneinander her, bis Carl Schroder uns bemerkt und herüberkommt.
»Kann ich Ihnen einen Kaffee bringen, Detective Schroder?«, fragt der Putzmann.
»Jetzt nicht, Joe. Aber trotzdem danke.«
Der Putzmann verschwindet, und ich schaue ihm hinterher, bevor ich mich wieder Schroder zuwende. Ich kenne Carl seit vielen Jahren. In einem anderen Leben haben wir an denselben Fällen gearbeitet, uns mit denselben Problemen herumgeschlagen. Wir waren mal ziemlich gut befreundet, aber es ist nicht zu übersehen, dass er mich eigentlich nicht hier haben will. Er bringt mich zu einem Tisch mit einem Haufen Formulare
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