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Die Toten Von Jericho

Die Toten Von Jericho

Titel: Die Toten Von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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gegebenen Umständen nur natürlich war. Er hatte durchaus Verständnis dafür gehabt, daß Conrad nicht in Oxford hatte bleiben wollen, aber darum hätte er nicht gleich nach Madrid fliegen müssen. Die Polizei hatte keinen Verdacht gegen ihn und erst recht keine Beweise, so daß eine Fahndung nach ihm ausgeschlossen schien. Warum also hatte er sich nicht ein paar ruhige Tage in einem englischen Seebad gemacht? Als er ihn danach gefragt hatte, war seine Antwort gewesen, er habe alles möglichst weit hinter sich lassen wollen … Na schön, das mußte er wohl akzeptieren, und jetzt ließ sich ja auch daran nichts mehr ändern.
    Es klopfte leise an die Tür, und gleich darauf trat der Zimmerkellner, ein junger Mann mit schwarzem, glatt nach hinten gekämmtem Haar und kleinem Schnurrbart, ins Zimmer und setzte mit elegantem Schwung das Frühstückstablett auf den Nachttisch neben Jennifers Bett. Jennifer rührte sich jedoch nicht, sie schien noch tief zu schlafen; und Charles war darüber erleichtert. Gestern war sie beim Eintritt des Kellners hochgeschreckt und hatte sich im Bett aufgesetzt, und er hatte mit nur mühsam unterdrückter Eifersucht mit ansehen müssen, wie der Kellner sich schamlos am Anblick ihrer nackten Brüste geweidet hatte.
    Einige Minuten später gab Jennifer einen kleinen Seufzer von sich, drehte sich zu ihm um und öffnete die Augen. Sie rutschte näher zu ihm herüber, fuhr mit der Hand unter seine Pyjamajacke und begann ihn zu streicheln. Im selben Moment wußte er, daß er wieder schwach werden und sich nach dem Frühstück in ihre Arme flüchten würde, und verachtete sich dafür, daß er eine schwierige Situation nie allein durchstand, immer wenn er Probleme hatte, nach der Wärme einer Frau – welcher Frau auch immer – suchte, um neues Selbstvertrauen zu gewinnen. Er verzog den Mund zu einem kläglich resignierten Lächeln, dann lehnte er sich hinüber, um an das Tablett zu reichen und ihnen beiden Kaffee einzugießen. Aber Jennifers Hand wanderte mit zärtlichem Nachdruck tiefer, und er ließ sich wehrlos und gereizt zugleich wieder zurücksinken.
    »Kannst du nicht mal warten, bis wir gefrühstückt haben?«
    »Neeiiin … – ich will dich jetzt!«
    »Du kannst wohl nie genug davon kriegen, was?«
    »Nein. Und morgens finde ich es am aufregendsten, das weißt du doch.«
    Gegen halb elf kam das Zimmermädchen. Sie sah das unangerührte Frühstück auf dem Tablett, und auf ihrem Gesicht erschien ein belustigtes kleines Lächeln, während sie daranging, das zerwühlte Bett in Ordnung zu bringen.
    Conrad Richards hatte ebenfalls kaum gefrühstückt – wenn auch aus anderen Gründen. Er war beunruhigt über die Situation zu Hause, und außerdem hatte er das Gefühl, hier unerwünscht zu sein. Charles hatte nicht gerade begeistert ausgesehen, als er vor drei Tagen plötzlich vor ihm gestanden hatte. Es war ein Fehler gewesen, ihm hinterherzufliegen, das sah er jetzt ein. Aber er hatte so dringend seine Nähe gebraucht, hatte einen Rat von ihm haben wollen, was sie nun tun sollten, und sich von Charles’ Optimismus und grenzenloser Zuversicht etwas aufrichten lassen wollen. Um neun Uhr ging er hinüber ins Reisebüro, um sich nach einer Rückflugmöglichkeit zu erkundigen. Wenn er wollte, konnte er noch an diesem Nachmittag eine Maschine nehmen. Ja, das würde er tun. Er freute sich darauf, Celia wiederzusehen, und was die andere Sache betraf, da mußte man eben abwarten und das Beste hoffen …
    Um elf waren die beiden Brüder in der Cocktailbar von Charles’ Hotel verabredet. Conrad kam etwas zu spät, und Charles trat ihm mit einem strahlenden Lächeln entgegen und klopfte ihm herzlich auf die Schulter, als sei er doch froh, daß er hier sei.
    »Was – du willst heute nachmittag zurückfliegen? Das kommt gar nicht in Frage. Du hast ja überhaupt noch nichts von Madrid gesehen.« Er deutete in einer großen Bewegung auf die Plaza …
    »Der Brunnen da drüben mit der Neptunfigur, ist das nicht ein wunderbarer Anblick? Wir werden heute nachmittag zusammen eine Sightseeingtour machen, was hältst du davon?«
    »Und was ist mit …?«
    »Um sie brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ich habe ihr eben beigebracht, daß sie heute nachmittag zurückfliegen muß.«
     
    Celia war an diesem Morgen schon früh auf. Sie hatte beschlossen, Charles’ Angewohnheit, sich auch samstags im Verlag blicken zu lassen, beizubehalten. Schon gestern hatte sie ihn dort vertreten, und der Tag war ein

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