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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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heraus!«
    »Wer verlangt das?«, brüllte einer zurück. Ima hob den Kopf. In Strömen lief ihr der Schweiß über das Gesicht, das Gewand klebte ihr am ganzen Körper, offenbarte den Männern ihre schlanke Gestalt, die sie nicht anfassen durften, weil seit dem frühen Morgen der Warägerhauptmann neben ihnen saß und sie mit der Macht seiner Autorität bewachte und abschirmte, damit sie ihre Arbeit ungestört verrichten konnte. Niemand rührte sie an. Dass er sie dabei mit eindeutigem Augenausdruck angegafft und immer wieder
murmelnd das Gespräch gesucht hatte, war Störung genug gewesen, doch besaß sie nicht mehr den Mut, ihm das zu verbieten. Ihren Fluch vermochte sie auch nicht zurückzunehmen. Und nein, nicht einmal, wenn sie es gekonnt hätte, obwohl es doch nichts ungeschehen machte …
    »Gebt die Frau heraus!«
    Jetzt erhob sich der Hauptmann, und Ima kauerte sich neben das Feuer, um ihr Entsetzen und ihr heftiges Herzklopfen, das doch jeder Umstehende hören musste, zu verbergen, weil sie den Rufer an seiner Stimme erkannt hatte …
     
    Gérard fühlte neue Kraft in sich aufsteigen. Nachdem er seit beinah eineinhalb Tagen nichts mehr gegessen hatte - für Proviant war bei seinem abrupten Aufbruch keine Zeit mehr gewesen -, war er immer noch wach genug, um zu wissen, dass Ima in der Nähe war. Er witterte sie, sein Herz schlug wie wild, sie musste hier sein. Ein Fallensteller unterwegs hatte ihm erzählt, dass immer wieder Warägertrupps die Gegend unsicher machten, und er hatte ihn auch in die Nähe dieser Siedlung gebracht. Bis zuletzt hatte er nicht gewusst, ob er auf der richtigen Fährte war, doch der Fallensteller hatte ihm versichert, dass dies das einzige Dorf mit wilden Männern aus dem Norden sei. Alle anderen hatte Alexius bereits abgezogen und weiter im Süden stationiert.
    Und dann hatte er das schwarze Pferd an der Palisade entdeckt. Er kannte sich mit Pferden aus, er wusste genau wie bei den Weibern sofort, ob er eins schon einmal gesehen hatte. Und das hier war das schwarze Pferd aus jener Nacht. Er war sich sicher, er hatte es ja am Zügel gehabt. Ima war hier und am Leben, es konnte gar nicht anders sein. Sein Herz machte einen weiteren Satz, wie damals, als er sie im brennenden Kolosseum gefunden hatte. Diesmal war es anders, diesmal hatte er sich bewusst auf die Suche nach ihr gemacht - und diesmal gehörte sie zu ihm …

    Hinter ihm erklangen Schritte, und er drehte sich um. Nicht alle hatten sich von seiner Dreistigkeit einschüchtern lassen, einfach das Lager zu betreten und die Wachen niederzuschlagen. Offenbar gab es auch keinen Befehl für ein derartiges Vorkommnis, was ihn als normannischen Soldaten sehr erstaunte. Das wäre in den straff geführten Lagern des Guiscard undenkbar, wo selbst Boten angehalten wurden, wenn sie verdächtig erschienen!
    Einer dieser Wilden nun fasste den Mut für einen neuen Angriff. Er sprang mit gezücktem Schwert auf ihn zu und brüllte, als wäre seine Stimme eine weitere Waffe. Zwei andere machten Miene, es ihm gleichzutun. Ohne zu zögern, schlug Gérard zu, geschickt jeden einzelnen Schlag parierend, obwohl ihm die Arme langsam schwer wurden, denn die Waräger kämpften wie Berserker - immer mit voller Kraft, dafür unvorhersehbar und gegen alle Kampfregeln. Wer keine Kraft mehr hatte, ließ den Stärkeren vor und erholte sich, bis er wieder losschlagen konnte. Der Bohlenweg hinter ihm lag dennoch voller Verwundeter …
    »Was willst du in meinem Lager? Warum schlägst du meine Männer nieder?«
    Der Angreifer ließ ab von ihm, auch die anderen zogen sich wie auf ein geheimes Kommando zurück, und er stand plötzlich allein da. Ein Riese mit vornehmer Kleidung hatte sich erhoben und straffte sein Kreuz. Gérard kniff schwer atmend die Augen zusammen. Unter den dichten Wimpern glitt sein Blick über eine ungeschützte Brust, breite Schultern, große Fäuste. Ein ebenbürtiger, ja schwieriger Gegner, und anders als diese Wilden. Wer auch immer das sein mochte. Egal. Er war bis hierhergekommen, er würde es zu Ende führen, und der Riese würde ihn nicht daran hindern. Gérard hob das Schwert. Ruhe kehrte in sein Herz. Sie war hier irgendwo. Seine Zuversicht wuchs.
    »Zum letzten Mal: Gebt sie heraus!«

    »Ist das ein Überfall?«, lachte der Riese und hob sein Schwert vom Boden auf. »Du traust dir ja was zu, Krieger. Hast du vom Kampf noch nicht genug?« Gérard behielt ihn im Auge und versuchte gleichzeitig, sich mit kurzen Blicken rundum zu

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