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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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tragen. Sein intensiver Männergeruch drang an ihre Nase und verriet, dass er sich wieder bewegte, auf sie zu.
    »Ich habe das hier in Eurem Beutel gefunden. Wer seid Ihr wirklich?«
    Er trat ganz dicht auf sie zu und führte nun seinen Arm um sie herum. In der riesigen Handfläche lag ein Runenstein. Ima fürchtete die Runen, weil ihre Mutter damit herumgezaubert und nicht immer Gutes bewirkt hatte. Doch
Algiz, die Schutzrune, war ihr von Trota mitgegeben worden - das war etwas anderes. »Dies wird eine besondere Reise«, hatte die Ärztin gesagt. »Du wirst besonders den Schutz deiner Ahnen brauchen, daher habe ich dir dieses heidnische Amulett geschnitzt.« Hatte sie etwa geahnt, auf wen sie treffen würde?
    Algiz hatte dadurch ihren Schrecken verloren … und nun hatte dieser wilde Krieger die Rune entdeckt. Ima drehte sich zu ihm um, obwohl er so dicht hinter ihr stand, dass sie mit dem Kopf fast seine Brust berührte. Fest sah sie ihm in die Augen, die inzwischen schwarz waren vor Begierde. Örn schien die Gefahr zu lieben.
    »Habt Ihr nicht bereits genug herausgefunden?«, fragte sie mit verhaltener Stimme, während ihr Herz wild schlug. Er konnte alles mit ihr machen - wusste er das?
    »Seid Ihr eine völva ?«, fragte er genauso leise und in der Sprache ihres Vaters zurück. Sie stutzte. Gespannt betrachtete er ihr Gesicht. Es war so weit.
    Sie entschied sich, nach vorn zu preschen. »Nein. Ich bin Heilerin. Werdet Ihr Euer Wort halten?« Er erstarrte, als er die flüssigen, akzentfreien Worte vernahm. »Bin ich mit meinem Diener frei, wenn Eure Männer Linderung erfahren?«
    Alles in ihr flatterte - welch ein Wahnsinn, wo sie doch nicht einmal wusste, um welche Krankheit es ging und ob sie überhaupt heilbar war. Oder ob er ihr eine Falle stellte. Ob die ganze Sache ein tödlicher Scherz war.
    Örn rückte dichter an sie heran, dass sie seine Brust durch ihre Kleidung hindurch spürte. Sie wich keinen Fußbreit - das hier war eine Kraftprobe, und sie spürte, dass er neben der Begierde auch Achtung für sie zu empfinden begann. Ihre Rettung? Ohne sie freizugeben, nahm er ihre Rechte und drückte die Rune in ihre Handfläche. »Ich vertraue auf Euch. Helft meinen Männern, und Ihr seid frei. Zusammen mit dem Diener. Ihr habt mein Wort.«

    Ein kurzer Befehl gellte durch die Halle, und kurz darauf erschien das Mädchen mit einem Frauengewand. »Kleidet Euch neu«, sagte er. Dankbar streifte Ima das Gewand über ihre Fetzen.
    Keinen Moment später war ihre Hand in der seinen verschwunden, und er zog sie zum Ausgang. Vor der Tür hielt er noch einmal inne und drehte sie zu sich.
    »Wie ist Euer Name?« Seine Stimme klang warm, wie die eines Mannes, der die Frauen zu umgarnen wusste. Örn Nábitr bekam, was er wollte - das versprach die Stimme. Ima blieb wachsam, weigerte sich, ihm zu trauen.
    »Wie darf ich Euch ansprechen, Heilerin?«, wiederholte er seine Frage.
    »Ima. Ima von Lindisfarne.«
    »Lindisfarne. Nun - ich hatte Euch in der Tat nicht nach Eurem Geburtsort gefragt.« Sein Mundwinkel zuckte.
    »Nein«, sagte sie einfach.
    Er studierte ihr Gesicht, nickte langsam und ernst. »Also Ima. Ima Heillahandi . Ihr werdet meine Männer gesund machen?«
    Sie ging ohne ein Wort an ihm vorbei zur Tür hinaus. Der neue Name - heilende Hand - lastete wie ein Joch auf ihren Schultern, und des Guiscards Geist trieb sie lachend vorwärts, denn sie hatte keine Zeit zu verlieren, seinen Sohn aus dem Verlies zu befreien.
    Doch das alles wusste Nábitr nicht.
     
    Das Haus mit den Aussätzigen lag außerhalb des kleinen Ortes, in einer Kurve mit Blick auf den Golf. Sicher hatte hier einmal ein reicher Mann gelebt - bevor die Waräger alle Einwohner des Dorfes vertrieben, wahrscheinlicher jedoch getötet hatten. Der Tod war Gast in dieser Siedlung und hatte sich reichlich bedient, das war an jeder Hausecke zu spüren. Leben war hier abrupt abgebrochen worden.
Bilder eines Überfalls drängten sich vor ihr geistiges Auge. Geschrei. Angst. Blut. Leid. Hitze, die beim Sterben nicht half. Sie war dort gewesen - in Rom.
    Auf dem Weg zum Haus der Aussätzigen hatte Ima ein paar Frauen zu Gesicht bekommen, die meisten in Lumpen gekleidet und geduckt umherlaufend. Einheimische Sklavinnen, und möglicherweise diente so manche hier in ihrem eigenen Haus. Sie erschauerte. Krieg traf immer die Falschen, und während sich die einen schon in vermeintlichem Frieden suhlten, nahm der Krieg für andere kein Ende. Sie erinnerte sich

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