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Die Totgesagten

Titel: Die Totgesagten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Er konnte sich nicht verkneifen, an dieser Stelle eine Kunstpause einzulegen. »… in dem Artikel steht, dass Marit vor zwanzig Jahren an einem tödlichen Autounfall beteiligt war. Sie stieß mit dem Auto einer älteren Dame zusammen, die an den Folgen des Unfalls starb. Marit hatte einen zu hohen Promillegehalt im Blut und wurde zu elf Monaten Gefängnis verurteilt.«
    »Warum haben wir das nicht früher erfahren?«, fragte Martin. »Ist das passiert, bevor sie hierherzog?«
    »Nein. Ola und sie waren damals zwanzig und wohnten seit einem Jahr hier. Aber mit der Zeit ist Gras über die Sache gewachsen. Die Leute hatten wohl ein gewisses Verständnis für Marit, denn der Promillewert lag nur knapp über der gesetzlichen Grenze. Sie kam von einem Abend essenbei einer Freundin und hatte ein bisschen Wein getrunken. Das steht in der Unfallakte, die unten im Archiv lag.«
    »Wir hatten die Unfallakte die ganze Zeit im Haus?«, fragte Gösta verblüfft.
    Patrik nickte. »Ja, aber es ist kein Wunder, dass wir sie nicht gefunden haben. Die Sache ist so lange her, dass sie nicht elektronisch erfasst ist, und wir konnten ja nicht auf gut Glück das ganze Archiv durchwühlen. Es gab auch gar keine Veranlassung, sämtliche Fälle von Trunkenheit am Steuer durchzugehen.«
    »Trotzdem …«, murmelte Gösta niedergeschlagen.
    »Ich habe mit Lund, Nyköping und Borås gesprochen. Rasmus Olsson hat sich seine Kopfverletzungen bei einem Autounfall zugezogen. Er ist betrunken gegen einen Baum gefahren. Sein Beifahrer, ein gleichaltriger Freund, kam dabei ums Leben.
    Das Vorstrafenregister von Börje Knudsen ist so lang wie mein Arm. Vor fünfzehn Jahren ist er frontal in ein entgegenkommendes Auto gefahren. Dabei kam ein fünfjähriges Mädchen zu Tode. In drei von vier Fällen sind unsere Mordopfer also betrunken Auto gefahren und haben dadurch den Tod eines anderen Menschen verursacht.«
    »Und Elsa Forsell?« Hanna starrte Patrik an. Er machte eine hilflose Geste.
    »Sie ist die Einzige, bei der wir noch nichts Genaues wissen. Bei der Polizei in Nyköping ist von einer Verurteilung nichts bekannt. Aber der Pfarrer ihrer Gemeinde hat Elsas ›Schuld‹ erwähnt. Ich glaube, es gibt da einen Zusammenhang, wir haben ihn nur noch nicht gefunden. Nach unserem Meeting werde ich Silvio Mancini, den Pfarrer, noch einmal anrufen. Vielleicht bekomme ich mehr aus ihm heraus.«
    »Gute Arbeit, Hedström«, lobte Mellberg. Alle Blicke richteten sich auf ihn.
    »Danke.« Patrik war nicht nur verblüfft, sondern auch einbisschen verlegen. Ein Lob von Mellberg war wie … Nein, ihm fiel kein Vergleich ein. Von Mellberg wurde man einfach nicht gelobt, basta. Verwirrt fuhr Patrik fort: »Wir haben also einen neuen Ausgangspunkt. Findet so viel wie möglich über die Autounfälle heraus. Gösta, du nimmst Marit. Martin, du nimmst Borås. Hanna, du kümmerst dich um Lund. Ich versuche, mehr über Elsa Forsell aus Nyköping herauszufinden. Noch Fragen?«
    Keiner sagte ein Wort. Patrik löste die Sitzung auf. Eine Art Jagdfieber lag in der Luft. Patrik hatte das Gefühl, er könne die Spannung mit den Händen greifen. Auf dem Flur blieb er kurz stehen, atmete tief durch und machte sich dann auf den Weg in sein Zimmer, um in Nyköping anzurufen.
    Wenn er Freunde und Familie in Italien besuchte, stellte man ihm immer wieder die gleichen Fragen: Wie hielt er es nur da oben im kalten Norden aus? Waren die Schweden nicht sehr seltsame Leute? Angeblich säßen sie oft alleine zu Hause und redeten mit kaum jemand. Mit Alkohol könnten die ja wohl auch nicht umgehen, die soffen doch wie die Löcher. Wie könne er sich an einem solchen Ort bloß wohl fühlen?
    Dann nippte Silvio an einem Glas Rotwein und ließ den Blick über die Olivenhaine seines Bruders schweifen. »Die Schweden brauchen mich.« So empfand er es. Als er vor dreißig Jahren nach Schweden ging, kam es ihm vor wie ein Abenteuer. Das Angebot, vorübergehend in der katholischen Gemeinde in Stockholm zu arbeiten, bot den Anlass, auf den er nur gewartet hatte. Dieses Land im hohen Norden war ihm immer so geheimnisvoll erschienen. Dabei war es gar nicht so geheimnisvoll. Im ersten Winter hatte er sich fast den Arsch abgefroren. Dann begriff er, dass man im Januar nur mit drei Schichten Kleidung vor die Tür gehen konnte. Trotzdem war es Liebe auf den ersten Blick. Er hatte sich in das Licht verliebt, in das Essen, indie kühle Fassade der Schweden und die Glut in ihren Herzen. Er hatte die kleinen

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