Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
Vom Netzwerk:
und einen Moment später wetzte ein Junge mit rotem Gesicht an Jocelin vorbei. Der Templer dachte an Louis, den er eigentlich für die Knappendienste mitgenommen hatte, und der jetzt im Keller dieser Kaschemme wahrscheinlich Todesängste ausstand.
    „Ich muss siegen, ich muss es schaffen!“ Er schloss die Augen für ein kurzes inbrünstiges Gebet um Beistand der Gottesmutter und des Heiligen Georg.
    Ein Krachen ließ ihn sich wieder dem Turnierplatz zuwenden. Prinz Louis saß noch im Sattel, während sich ein Knecht um den am Boden liegenden Herzog der Bretagne bemühte. Irgendwo aus den Zuschauerreihen klang lautes Schluchzen. Aber die Befürchtungen waren schlimmer als die Tatsachen, denn in diesem Augenblick rappelte sich der Gefallene von selbst wieder auf.
    Die nächsten Kämpfe waren Jorge de Fontcalda vorbehalten. Mühelos hob er zwei Ritter aus dem Sattel. Tosender Beifall belohnte ihn. Nun galt der Aufruf des Herolds Jocelin.
    Ghislaine de Montfort beugte sich vor. Wen würde dieser seltsame Ritter aus Judäa fordern? Sie sah erstaunt, wie sich seine Lanze vor dem Grafen von Baux senkte. Ein Ausruf des Staunens ging durch die Reihen. Die ersten Wetten wurden geschlossen.
    „Ein Goldbyzantiner auf Berengar des Baux!“ rief eine Stimme, die Ghislaine de Montfort zu verabscheuen gelernt hatte. Esquieu de Floyran nickte ihr mit einem schmalen Lächeln zu.
    „Fünfzig auf Jocelin von Judäa!“ antwortete die Gräfin, allein um ihm zu widersprechen. Im Grunde war es ihr absolut gleichgültig, wer diesen Waffengang gewann. Hauptsache, er endete und sie konnte zurück in die Abgeschiedenheit von La Blanche. Hauptsache, Yvo stellte nicht wieder irgendetwas an… Wo war der Junge bloß?
    Berengar des Baux musterte seinen Gegner unwillig. Ein Waffengang mit einem unbekannten armseligen Poulain konnte doch keinen Ruhm bringen! Einen Moment lang erwog er, die Forderung abzulehnen, aber dann senkte er seine Lanze ebenfalls. Sie nahmen ihre Plätze ein, der Herold gab das Zeichen, und sie stürmten los.
    Der Graf zielte auf den unteren Teil von Jocelins Schild. Im letzten Augenblick richtete sich der Templer in den Steigbügeln auf, presste den Schild eng an seine Seite und stieß die Lanze vor. Sie traf mit einem dumpfen Geräusch Berengars Brustpanzer und hob ihn aus dem Sattel. Als der Staub sich legte, stand sein Gegner jedoch aufrecht, während ein Knecht sich um sein Reittier bemühte, und hob die Faust zum Zeichen, dass er den Kampf nicht als beendet betrachtete.
    Ghislaine de Montfort gestattete sich einen ersten triumphierenden Blick zu Floyran, der nur spöttisch die Lippen verzog. „Noch ist es nicht vorüber, Madame. Des Baux hat noch genügend Zeit, diesen Hänfling aus Outremer Staub fressen zu lassen! Ha, seht Euch das an, ein Mönch als Schwertträger! Wahrscheinlich BADET der auch im Weihwasser!“
    Ghislaine folgte Floyrans abschätziger Handbewegung und sah gerade noch, wie tatsächlich ein Mann in schäbiger Mönchskutte dem Ritter sein Schwert reichte. Wirklich, ein seltsamer Kämpfer!
    Jocelins Hände schlossen sich fest um den Griff seiner Waffe, und er holte zum ersten Schlag aus, stellte sich vor, nicht gegen Graf Berengar zu fechten, sondern gegen jenen schönen Dämon auf der Tribüne... Der Gedanke ließ ihn mit solcher Wut angreifen, dass sein Gegner zunächst zurückwich. Aber kaum hatte Berengar die Kompetenz seines Gegners erkannt, verteidigte er seine Ehre mit der gleichen Kühnheit. Hiebe prasselten auf die Schilde der Kontrahenten nieder, rissen eine Scharte in das Wappen der Des Baux. Die Zuschauer verfolgten den Kampf gespannt. Ein Schrei erhob sich, als Jocelin den Grafen gegen die Barriere abdrängte. Doch jener zwang seinen Gegner, sich wieder zurückzuziehen, holte mit neuer Kraft aus. Das Schwert des Grafen glitt über Jocelins rechte Beinschiene und hätte ihn fast zu Fall gebracht. Hastig  wich er vor dem erneuten Angriff aus, drehte sich halb und versuchte, Berengar zu entwaffnen. Doch der Graf fing den Hieb ab, sprang zurück und griff von der Seite an. Seine Klinge traf Jocelins Schild, aber ehe er zum zweiten Mal ausholen konnte setzte der Templer ihm das Schwert an die Kehle.
    „Ergebt Euch, Sire!“
    Berengar des Baux senkte seine Waffe. Durch den Sehschlitz seines Helms sah Jocelin, wie sein Gegner ihn zornig anfunkelte. „Der Teufel hole die Poulains!“ knurrte er. „Hättet ihr so gegen die Sarazenen gekämpft, wurde das Heilige Land noch uns

Weitere Kostenlose Bücher