Die Tränen des Herren (German Edition)
schlug er mit seiner Lanze gegen den Schild Charles de Valois‘. Dieser weigerte sich. Hochmut ließ ihn gegen Jorge de Fontcalda antreten und verlieren: die Lanze des Katalanen verhakte sich in seinem Sattelgurt, zerfetzte ihn und sorgte für einen wenig eleganten Bodenkuss des Königsbruders.
Während ihn die königlichen Knappen vom Platz trugen, ritt Jocelin auf Fontcalda zu. Der Katalane beugte den Kopf zum Zeichen, dass er die Forderung akzeptierte. „Ich habe gesehen, dass Ihr recht gut im Umgang mit Lanze und Schwert seid, Sire Jocelin!“ rief er. „Aber bisher war alles ein Spiel! Jetzt werdet Ihr merken, was ein wirklicher Waffengang ist!“
Der Ordensbruder erwiderte nichts. Reden diente nur der Ablenkung. Er musste sich konzentrieren und diese Konzentration auch an sein Pferd weitergeben, gerade bei diesem ungünstigen Wetter. „Lass mich nicht im Stich, hörst du?“ Das Tier gab ein leises Wiehern von sich, als habe es die Worte verstanden und stampfte mit dem Vorderhuf auf.
Einen Moment später trafen die beiden Kämpfer mit solcher Wucht aufeinander, dass die Lanze Fontcaldas bis zum Schaft zerbarst, dabei Jocelins Schild und Arm nach hinten reißend. Kurz wurde dem Ordensbruder schwarz vor Augen, aber das Geschrei der Zuschauer katapultierte ihn zurück und er blieb im Sattel. Sein Gegner winkte bereits triumphierend in die Ränge, ein paar vereinzelte Buh-Rufe empfangend, die sich rasch zu einem Crescendo steigerten.
„Jocelin, alles in Ordnung?“ klang die besorgte Stimme Arnauds zu ihm. Er nahm den Helm ab, um besser sehen zu können, und begutachtete seinen Schild. Der untere Halteriemen war abgerissen, wie befürchtet. Sein Arm fühlte sich ebenfalls noch etwas taub an. Aber er sah keinen Grund, Arnaud zu beunruhigen.
„Ja“, erwiderte er lediglich. „Betet für mich!“
Das Brüllen, Johlen und Füßestampfen der Zuschauer ebbte ab, als der Herold die Frage stellte, ob der Herr von Judäa willens sei, den Kampf fortzusetzen. Jocelin gab das Zeichen für ‚Ja‘ und lenkte sein Pferd wieder nach vorn. Ein letzter Blick zurück zu seinem Pflegevater, der am Rand der Brüstung niedergekniet war, dann schob er den Helm wieder über den Kopf.
Der Katalane packte die neue Lanze, die sein Knappe ihm reichte, und dann jagten die Gegner zum zweiten Mal gegeneinander. Diesmal jedoch zerschmetterte der Stoß den Schild des Ordensbruders in zwei Teile, und die Wucht des Aufpralls warf Jocelin aus dem Sattel. Er streifte mit der Seite die Barriere, überschlug sich und blieb reglos im Schlamm liegen. Fontcalda breitete die Arme aus und nahm den zögerlich einsetzenden Beifall entgegen.
Jocelin erwachte und nahm noch benommen einen Mann wahr, der sich über ihn beugte. Als jener zurückwich, erkannte er Bruder Arnaud und eine Frau in schwarzer Witwentracht.
“Ich sah, dass sich kein Medikus um Euch kümmerte, und da habe ich Euch einen geschickt", sagte sie gerade.
„Ich danke Euch... Madame“, murmelte Jocelin und sah an sich herunter. Ein Verband umschloss seinen Brustkorb und es bereitete Schmerzen, sich aufzusetzen. „Hoffentlich keine gebrochenen Rippen...“ dachte er. Dann erst wurde ihm klar, was geschehen war. Er hatte verloren! Seine Brüder mussten weiter hungern! Und Louis! Wie sollten sie ihn auslösen? Mit einem Stöhnen lehnte er sich zurück.
„Messire,” hörte er die Frau jetzt sprechen, “verzeiht mir meine Kühnheit. Aber ich hörte, dass Ihr keinem Herrn verpflichtet seid. Ich bitte Euch, in meine Dienste zu treten. Als Lehrer für meinen Sohn. Ich bin Gräfin von Montfort und ich werde Euch angemessen entlohnen.“
Jocelin sah sie erstaunt an. Er erinnerte sich vage, die Frau auf der Tribüne bei der königlichen Familie gesehen zu haben. Es galt, vorsichtig zu sein...
„Ihr setzt großes Vertrauen in einen mittellosen Fremdling...”
„Ich habe Euch kämpfen sehen, Messire, und ich weiß, dass Ihr ein guter Ritter seid.”
„Ich habe den Kampf verloren.”
„Nun, es kommt nicht darauf an, aus allen Gefechten siegreich hervorzugehen“, entgegnete sie mit einem leichten Lächeln, das Jocelin unwillkürlich Unbehagen bereitete.
„Ein Ritter, der die Heilige Jungfrau zu seiner Mutter erkoren hat, wird doch nicht so grausam sein und sich vor den Nöten einer Witwe verschließen, nehme ich an?“
Jocelin überlegte fieberhaft. In ihren Diensten zu stehen konnte den Ordensbrüdern vielleicht einige wichtige Informationen einbringen... auch das Geld
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